Die Wahrheit stirbt zuletzt
Brandspuren auf. Der Brand hatte den ganzen Raum verwüstet. Auf dem Boden lag Stroh. Zwei Fenster waren zerstört. Die Wände waren schwarz vom Ruß. Es roch nach Blut und Exkrementen.
Ich ging nach draußen. Ute begleitete mich, während Bertil sich zu Olaf setzte, um sich mit ihm auf Schwedisch zu unterhalten. Arturo war in einer Ecke auf dem Stroh eingeschlafen. Selbst im Schlaf wimmerte er vor sich hin. Ute sagte, wir könnten damit rechnen, dass es im Laufe des Abends weiße Bohnen in Öl und vielleicht sogar ein bisschen Ziegenfleisch gebe, wenn wir Glück hätten. Und vielleicht auch Kaffee. Auf jeden Fall Wein. Ich war hungrig, aber wie so oft war der bohrende Hunger schon vorbei und existierte nur noch als eine Leere im Magen, gegen die Tabak half.
Wir setzten uns draußen hin. Ich drehte zwei Zigaretten, reichte ihr eine und zündete beide mit dem Feuerzeug an. Sie schaute auf ihre nackten Füße, die in den Schuhen mit den Sohlen aus Hanffasern steckten, die die Spanier Alpargatas nennen.
Die Frau in Schwarz kam mit dem Wassersack und einem Ledersack mit frischem Wein zu uns herüber. Sie war doch nicht so alt, wie ich zuerst gedacht hatte, aber die Augen in ihrem gräulich blassen Gesicht waren leblos. Sie bekreuzigte sich vor dem kleinen Glockenturm und ging ins Haus zurück. Es war sehr warm, und die Insekten waren deutlich zu hören. Das Dorf und die Hügel dahinter flimmerten im Hitzedunst. Der Hirte trieb seine Ziegen aus dem Dorf und auf einen Höhenzug zu. Ute sagte, die Frau bekreuzige sich jedes Mal, wenn sie am Glockenturm vorbeigehe, weil er heimgesucht sei. Wir rauchten und tranken abwechselnd von dem jungen Wein.
Einige Zeit später stand Ute auf und sagte, sie müssesich jetzt waschen. Ich blieb noch ein wenig sitzen, trank von dem Wein und rauchte. Ich konnte die weißen, gewässerten Bohnen riechen, die irgendwo in der Nähe gekocht wurden. Sie würden von dem Öl triefen, das für die Mägen der Skandinavier so schwer verdaulich war, mir aber nicht allzu viel ausmachte. Nach einer Weile erhob ich mich und ging los, um Ute zu suchen.
Sie badete hinter einem verfallenen Haus, wo sie eine alte Blechbadewanne aufgestellt hatte. Ich vermutete, dass sie sie bereits morgens mit Wasser füllte, damit die Sonne es im Laufe des Tages erwärmte. Ich stand ein wenig abseits. Ein Stück weiter rechts hinter einer eingestürzten Mauer sah ich Arturo hervorlugen. Die Tränen liefen ihm über die Wangen und hinterließen zwei Striche auf seinem staubigen Gesicht.
Ute erhob sich, und das Wasser rann ihren nackten Körper hinunter. Die Abendsonne spiegelte sich in den Wassertropfen auf ihrer sehr weißen Haut. Sie stand mir halb zugewandt da und ließ einen Waschlappen langsam über ihre großen, schweren Brüste gleiten. Sie hatte runde Pobacken und feine, helle Schamhaare. Ich versuchte gar nicht erst, mich vor ihr zu verstecken. Sie drehte sich ganz zu mir um und lächelte, während sie mit dem Waschlappen ungeniert ihren weichen Bauch und ihren Schritt liebkoste. Dann wandte sie mir den Rücken zu, und ich hörte sie singen. Es war ein deutsches Wiegenlied, das mein Kindermädchen auch immer gesungen hatte. Arturos Gesicht verschwand. Ich bezweifelte auf einmal, dass ich ihn überhaupt gesehen hatte, vielleicht war sein verschmiertes Gesicht bloß eine von Müdigkeit und Hunger hervorgerufene Einbildung gewesen.
Ich betrachtete Ute in der Abendsonne und dachte daran, wie es wohl sein würde, sie zu lieben, und daran, dass das Leben doch etwas sehr Eigentümliches und Unvorhersehbares war.
Am nächsten Morgen kamen Mitglieder der Brigade in einem eroberten italienischen Lastwagen, um den schwedischen Politkommissar zu evakuieren. Es waren ein deutscher Politkommissar, der Günther hieß, zwei Österreicher und zwei Spanier. Natürlich nahmen sie auch Ute, Bertil und mich mit.
Ich saß zusammen mit einem der Österreicher neben Ute auf der offenen Ladefläche, sodass ich ihren Oberschenkel durch den groben Uniformstoff hindurch spüren konnte. Aber sie hatte nur Augen für Olaf. Sie hielt ihm abwechselnd die Hand und fütterte ihn mit Cognac. Sein zertrümmertes Bein verbreitete einen scheußlichen Gestank. Er hatte hohes Fieber und murmelte ständig vor sich hin. Es war irgendein unverständliches Gerede auf Schwedisch über Goldmünzen und Schätze aus dem untergegangenen Reich der Azteken. Seine Stirn war schweißnass, und er stöhnte oft vor Schmerz, wenn der Lastwagen auf dem schmalen
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