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Die Wahrheit stirbt zuletzt

Die Wahrheit stirbt zuletzt

Titel: Die Wahrheit stirbt zuletzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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sein, die noch immer fortleben, obwohl Stalin Trotzki bereits vor knapp zehn Jahren ins Exil getrieben hat«, erklärt Svend.
    Sie rauchen alle drei Meyers Zigaretten, während Marie und Magnus Poulsens Geschichte zuhören.
    Er habe versucht, sich zu verteidigen, aber die Parteispitze habe ihm nicht zuhören wollen. Die Entscheidung sei längst gefallen gewesen. Er wurde mit sofortiger Wirkung entlassen, und sein Beschäftigungsverhältnis als Parteifunktionär und Redakteur wurde aufgelöst. Sie nahmen keine Rücksicht darauf, dass er eine Frau und zwei kleine Kinder hat und dass die Arbeitslosenquote bei beinahe zwanzig Prozent liegt.
    Magnus blickt zu Marie hinüber, als Svend über seine Frau und seine Kinder spricht, aber ihr Gesichtsausdruck verrät nichts.
    Worin sein Vergehen bestanden habe? Dass er bei einer lokalen Parteiversammlung kritisiert habe, dass die Komintern und die Führung der Volksfront in Spanien den notwendigen Kampf gegen die Anarchisten und andere Renegaten und Klassenverräter mit allen Mitteln eingeleitet hatten. Außerdem habe er es gewagt, auf einer Parteiversammlung anzumerken, dass die Waffen, die die Sowjetunion so uneigennützig zur Verfügung stelle, von schlechterQualität seien. Es fehle an guten Gewehren und Munition, die zu den gelieferten Handfeuerwaffen passe. Die Sowjetunion schicke veraltetes militärisches Material, das es in keiner Weise mit den Waffen der Nationalsozialisten aufnehmen könne. Das koste Menschenleben, und es könne auch den Sieg kosten, hatte er gesagt.
    Svend Poulsen schüttelt den Kopf. »Meine Überzeugung ist, dass man im Kampf gegen den Faschismus zusammenhalten soll, statt einander zu bekämpfen. Ich bin – ich meine, war – Parteimitglied, aber in meinem Wehrpass stand wie bei allen anderen auch nur: Antifaschist. Wir hatten keine richtigen Offiziere. Wir waren Kameraden im gemeinsamen Kampf der Brigaden. Inzwischen haben sie Offiziere mit Rangabzeichen, die Grußpflicht und militärische Disziplin eingeführt. Von den Kameraden dort unten höre ich, dass es Zank und Streit und Schlägereien gibt. Wir erhalten schlechte Waffen. Das weiß ich. Ich habe es bei einer Parteiversammlung erwähnt, weil ich den Kameraden erklären wollte, warum der Krieg für uns nicht so erfolgreich verläuft, und weil ich ihnen erzählen wollte, wie tapfer die Freiwilligen gegen Francos professionelle Legionäre und Regulares kämpfen.«
    Er hebt seinen halben Arm und fährt fort: »Das Gewehr ist in meinen Händen explodiert. Das passiert viel zu oft. Sie schicken uns das falsche Kaliber. Kommunist zu sein heißt doch zum Teufel noch mal nicht, die Wahrheit zu leugnen!«
    »Kommunist zu sein bedeutet dasselbe wie die Zugehörigkeit zu jeder anderen Religion. Es bedeutet, die Wahrheit nach den Kriterien auszuwählen, die der jeweilige Gott aufstellt. Andere Wahrheiten sind Ketzerei, und dann wird man auf dem Scheiterhaufen verbrannt.« Magnus sieht Svend an, aber der blickt zu Marie hinüber, die ihren Kaffee mit kleinen, femininen Schlucken trinkt.
    »Wir haben keinen Gott«, sagt er.
    »Ihr habt Stalin. Das ist doch wohl dasselbe. Wenn man gegen die Gesetze und Dogmen der Kirche verstößt, wird man exkommuniziert. Wenn ihr gegen Stalins Dogmen verstoßt, werdet ihr aus dem kommunistischen Weltentempel ausgeschlossen. Das macht doch keinen Unterschied.«
    »Ich habe jetzt wirklich keine Lust, über Politik zu diskutieren. Schon erstaunlich, denn seit ich vierzehn Jahre alt war, habe ich nichts anderes getan, als über Politik zu diskutieren.« Svend lacht. Er hat ein fröhliches Lachen, das ansteckt, und Magnus und Marie müssen beide lächeln.
    Marie legt ihre Hand auf seinen heilen Arm: »Was willst du jetzt machen, Svend?«
    »Versuchen, eine neue Arbeit zu finden, aber das ist natürlich nicht so leicht mit nur einem Arm. Ein bisschen was werden wir wohl von der Fürsorge bekommen. Und Ingeborg arbeitet ja auch immer mal wieder. Vielleicht werde ich auch das Buch schreiben, das ich schon länger im Kopf habe, über die Kameraden und Spanien. Meine Schreibhand funktioniert ja nach wie vor einwandfrei.«
    Er zieht seinen linken Arm aus Maries Hand, hebt ihn in die Höhe und sagt, vielleicht an Magnus gerichtet: »Ich bin Linkshänder. Mit der linken Hand kann ich am besten und am schönsten schreiben, aber in der Schule habe ich immer eins auf die Finger bekommen, wenn ich nicht mit der rechten Hand geschrieben habe. Ich hatte einen Lehrer, der mir den linken Arm

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