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Die Wahrheit über Alice

Die Wahrheit über Alice

Titel: Die Wahrheit über Alice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca James
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vorstellen, was sie zueinander gesagt haben könnten. Mum hat normalerweise einen
     solchen Widerwillen dagegen, mit Leuten, die sie kaum kennt, über Rachel zu sprechen, und eine solche Angst davor, das Leben
     und den Tod ihrer Jüngsten auf eine Geschichte zu reduzieren. «Wie ist   … ich meine, wie ging’s Mum dabei? Ist sie   … hat sie wirklich was gesagt?»
    «Ob sie was gesagt hat? Mann, Katherine, sie hat kaum Luft geholt. Ich glaube, sie hat das wirklich gebraucht. Es war für
     sie   … äh, wie heißt das Wort   … kathartisch, glaube ich. Helen ist eine großartige, tapfere, starke Frau, aber sie braucht, ich weiß nicht   … sie braucht einfach eine Art Ventil. Sie hat das alles in sich reingefressen, ihre ganze Wut und ihre Trauer so lange verdrängt.
     Ich meine, versteh mich nicht falsch, das heute Morgen war total aufreibend, total emotional für uns beide. Wir |90| haben gelacht und geweint und uns umarmt. Wir haben sogar einen Schuss Rum in unseren Kaffee getan, weil wir beide so aufgewühlt
     waren. Sie hat sich heute Morgen vollkommen geöffnet, mir den ganzen Kram erzählt   … Sachen, die sie, glaub ich, noch keinem Menschen vorher erzählt hat.» Alice legt den Kopf schief und lächelt verträumt.
     «Und ich hab ihr eine andere Perspektive aufgezeigt. Eine neue Sichtweise. Eine mitfühlendere und tolerantere Sicht der ganzen
     Situation. Ich glaube, ich hab ihr wirklich geholfen, echt. Ich hab ihr geholfen, den Mist, den sie in sich angestaut hat,
     zum Teil loszulassen.»
    «Den Mist?», sage ich. Ich bin gereizt, ohne zu wissen warum. «Was für ein Mist soll das sein?»
    «Oh.» Alice blinzelt und schaut mich dann misstrauisch an. «Alles in Ordnung? Du bist doch nicht sauer oder so, oder? Es ist
     einfach passiert. Ich kann nicht mal genau sagen, wer mit dem Thema angefangen hat. Ich meine, ich glaube, ich war’s   … aber ich konnte doch nicht einfach da zusammen mit Helen sitzen und kein Wort über Rachel sagen. Ich hab mich irgendwie
     falsch gefühlt oder verlogen oder so. Aber ich sag dir, kaum hatte ich Rachels Namen ausgesprochen, da gab es kein Halten
     mehr. Helen hat geredet wie ein Wasserfall.»
    Dass Alice meine Mutter «Helen» nennt, ärgert mich, und jedes Mal, wenn sie den Namen in den Mund nimmt, muss ich den Drang
     unterdrücken, ihr zu sagen, sie soll die Klappe halten.
    «Ich seh mal nach, ob es ihr wirklich gutgeht.» Ich seufze. Ich schlage die Decke zurück, stehe auf und meide dabei den Blickkontakt
     mit Alice. Dann ziehe ich mir den Bademantel über. «Nach Rachels Tod hat sie gelernt, ihre wahren Gefühle zu verbergen. Wer
     sie nicht sehr gut kennt, kommt kaum dahinter, was sie wirklich denkt. Und sie kann manchmal lächerlich höflich sein. Beinahe
     selbstzerstörerisch höflich.»
    |91| Ich verlasse das Zimmer, ohne Alice die Chance zu geben, noch etwas zu sagen. Ich weiß, ich benehme mich rüde und wahrscheinlich
     übertrieben dramatisch, aber ich bin sicher, dass Alice alles völlig falsch verstanden hat. Ich bin überzeugt, dass Mum das
     Gespräch über Rachel an die Nieren gegangen ist. Und die Art, wie Alice die Sache erzählt hat, kommt mir irgendwie selbstgefällig
     vor. Nervig und eingebildet.
     
    Mum ist in der Küche. Sie steht an der Arbeitsplatte in der Mitte und knetet Teig. Die Platte ist voller Mehl, und ein wenig
     davon hat sie auch an der Wange. Sie summt vor sich hin.
    «Oh. Schätzchen.» Sie lächelt und hebt eine Hand an die Brust. «Du hast mich aber erschreckt.»
    «Wie geht’s dir?» Ich mustere sie genau.
    «Oh! Ich fühle mich ganz   …» Sie berührt geistesabwesend ihre Lippe und hinterlässt auch dort einen Fleck Mehl. Ihre Augen werden feucht, und ich glaube
     schon, dass sie gleich anfängt zu weinen, aber dann lächelt sie. «Ich fühle mich gut, ja. Alice und ich haben uns heute Morgen
     prima unterhalten. Wir hatten ein wirklich gutes, aufrichtiges Gespräch über Rachel. Es war, na ja, es war richtig   … richtig befreiend, das alles mal auszusprechen.» Dann lacht sie und schüttelt den Kopf. «Ich hab geflucht wie ein Kesselflicker.
     Und noch dazu Rum getrunken.»
    «Rum? So früh?» Ich werfe einen Blick auf die Küchenuhr. «Es ist erst kurz nach zehn!»
    «Ich weiß. Ganz schön gewagt, was? Deine Freundin Alice», Mum schüttelt den Kopf und lächelt versonnen, «sie ist was Besonderes,
     nicht? Und sehr lustig.»
    «Kann sein.» Ich öffne den Kühlschrank und tue so, als würde ich

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