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Die Wahrheit über Alice

Die Wahrheit über Alice

Titel: Die Wahrheit über Alice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca James
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und wir putzen uns Seite an Seite im Bad die Zähne, spucken den Schaum
     abwechselnd ins Waschbecken. Irgendwie sind wir uns dadurch, dass wir zusammen geweint und so viel von unserem |146| Seelenleben preisgegeben haben, schlagartig nähergekommen. Wir gehen jetzt noch unverkrampfter miteinander um. Dann liegen
     wir nebeneinander auf dem Rücken unter der Decke. Es ist dunkel in meinem Zimmer, und ich lausche auf Robbies Atem und genieße
     die wohltuende Wärme seines Körpers neben mir.
    «Normalerweise würde ich nicht mit dem Freund einer Freundin in einem Bett schlafen», sage ich. «Auch wenn wir nichts machen,
     ist es doch ein bisschen komisch, oder? Aber irgendwie, aus irgendeinem Grund, gelten diese normalen Regeln bei Alice nicht.»
    «Das liegt daran, dass Alice sich selbst nicht an die sogenannten normalen Regeln hält. Sie respektiert keine von diesen Grenzen,
     wieso also sollten andere das tun, mit Rücksicht auf sie? Das ist das Alice-Phänomen. Wer lange mit ihr zu tun hat, verhält
     sich irgendwann selbst mies. Ich meine, ich bitte dich.» Er lacht. «Was war das denn neulich Abend mit Ben und Philippa? Und
     was Alice über deine Schwester gesagt hat und wie sie mit Ben geflirtet hat? Sie behandelt kaum jemanden mit Respekt, oder?
     Da dürfen wir uns doch auch wohl mal ein bisschen mies verhalten, oder nicht?»
    «Ja. Nein. Ich weiß nicht. Wie auch immer», sage ich. «Ich glaube eigentlich nicht, dass wir uns mies verhalten. Indem wir
     hier zusammen im Bett liegen, meine ich. Wenn wir niemandem wehtun, spielt es doch vermutlich keine Rolle.» Ich schüttele
     im Dunkeln den Kopf. «Nein. Es kann keine Rolle spielen. Weil wir Freunde sind und wir uns umeinander kümmern und weil wir
     Alice nicht wehtun. Selbst wenn sie es wüsste, würde es sie wahrscheinlich nicht stören.»
    «Und ob es sie stören würde. Aber nicht aus irgendeinem normalen Grund. Nicht, weil sie mich so liebt und den Gedanken nicht
     ertragen kann, dass ich einer anderen Frau nahe bin. |147| Es würde sie stören, weil sie nicht dabei ist. Es würde sie stören, weil sie in der Situation nicht die Fäden in der Hand
     hält.»
    Ich erwidere nichts, weil er offenbar davon ausgeht, dass Alice genauso viel Kontrolle über mich hat wie über ihn, und das
     gefällt mir nicht. Ich kann verstehen, dass Robbie sich ihr ausgeliefert fühlt, immerhin liebt er sie und lässt sich jede
     Menge Mist von ihr gefallen. Er ist auch stets zur Stelle, wenn Alice nur mit dem Finger schnippt. Aber ich bin bloß Alice’
     Freundin, und meine Wahrnehmung wird nicht durch sexuelles Verlangen verzerrt, ich bin nicht hoffnungslos in sie verliebt.
     Aber das will ich heute Abend nicht klarstellen. Ich möchte nichts sagen, wodurch Robbie sich noch elender fühlen könnte.
    «Jedenfalls», fährt er fort, «hast du das Wort Freund benutzt. Du hast gesagt, ich wäre Alice’ Freund.» Er lacht, und es klingt
     trocken, bitter, freudlos. «Aber das bin ich in Wahrheit gar nicht, oder? Ich bin bloß jemand, den sie benutzt, wenn ihr danach
     zumute ist. Ich bin für sie bloß ein treues Hündchen, das sie herrufen und ausnutzen kann, wann und wie sie will.»
    «Wenn du das so siehst, Robbie   –»
    «Ja», unterbricht er mich. «Natürlich sehe ich das so.» Er klingt wütend und traurig. «Denn genau so ist es. Und ich sage
     mir immer wieder, dass sie schlecht ist, dass ich die Sache mit ihr beenden muss. Aber dann höre ich ihre Stimme oder sehe
     ihr Gesicht und ich   …» Seine Stimme bricht, und er schweigt einen Moment, atmet, bringt seine Gefühle wieder unter Kontrolle. Er seufzt zittrig.
     «Weißt du was?», flüstert er. «Soll ich dir mal was richtig Komisches erzählen?»
    «Was denn?»
    «Mein Dad hat eine Freundin. Er hat die Frau auf einer Party kennengelernt. Scheiße», sagt er plötzlich, «und ob du’s glaubst
     oder nicht, sie heißt Rachel.»
    «Was ist denn daran so komisch? Den Namen gibt’s doch oft. |148| Ich hab schon einige Rachels kennengelernt, seit meine Schwester gestorben ist.»
    «Nein, das meine ich nicht mit komisch. Das ist mir bloß gerade eingefallen. Was ich meine, ist, mein Dad ist glücklich, seit
     er mit ihr zusammen ist. Richtig glücklich. So glücklich, wie er mit meiner Mum war, bevor sie krank wurde.»
    «Aber das ist doch toll, Robbie. Hast du sie kennengelernt? Ist sie nett?»
    «Nein. Ich hab sie nicht kennengelernt. Ich will sie auch nicht kennenlernen. Ich will nichts von ihr

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