Die Wahrheit über Alice
pfeifendes |162| Geräusch, bei dem sein Bauch sich hob. Er sah nur Grant an und drehte nicht mal den Kopf in meine Richtung. «Woher soll ich
das wissen? Die war ja schon abgefüllt, bevor sie in den Wagen gestiegen ist.»
«Was für ein Albtraum.» Ich vergrub das Gesicht in den Händen. «Wie soll ich sie bloß nach Hause schaffen?»
Ich sprach eher mit mir als mit sonst wem, doch Grant antwortete trotzdem. «Deshalb hab ich dich doch vorhin gefragt, Mädchen»,
sagte er. «Wir könnten euch fahren. Kein Problem.»
«O nein», sagte ich. «Trotzdem danke.»
«Wie du willst», sagte er. «Aber zu Fuß brauchst du mindestens ’ne Stunde in die Stadt. Und es ist schon verdammt dunkel.
Und ein Taxi kostet dich mindestens hundert Dollar.» Er zuckte die Achseln. «Ich weiß, was ich täte, wenn ich du wäre.»
Ich starrte ihn an und dachte nach. Rachel zu Fuß nach Hause zu bringen, war völlig ausgeschlossen. Ich würde hier warten
müssen, bis sie wieder nüchtern war – was Stunden dauern konnte –, und Mum und Dad würden mit Sicherheit Panik bekommen. Sie würden wahrscheinlich die Polizei verständigen. Ich konnte sie
nicht so lange im Ungewissen lassen, ich würde mir von jemandem das Handy borgen und sie anrufen müssen, ihnen Bescheid geben,
dass wir wohlauf waren. Aber sie würden jede Menge Fragen stellen, sie würden darauf bestehen, uns abzuholen. Und das wollte
ich unbedingt vermeiden. Wenn sie sahen, wo wir waren, wenn sie die vielen betrunkenen Jugendlichen sahen, die heruntergekommene
Scheune, die Unmengen an Alkohol und Zigaretten und Drogen, würden sie außer sich geraten. Und sie würden wahrscheinlich irgendetwas
grauenvoll Peinliches machen, vielleicht die Party auflösen, den Leuten sagen, sie sollen nach Hause gehen. Wer weiß, vielleicht
würden sie sogar die Polizei rufen, damit alle hopsgenommen würden.
|163| Dass wir getrunken hatten, würden sie auf jeden Fall merken, aber es war besser, wenn wir die Suppe zu Hause auslöffelten
und den Supergau verhinderten, der mit Sicherheit passieren würde, wenn sie herkamen.
«Okay», sagte ich schließlich. «Das wäre super. Danke. Ich weiß echt nicht, was ich sonst tun soll. Wenn es euch nichts ausmacht.
Wir wohnen in Toorak.»
«Toorak, he?», schnaubte Grant. Er warf seine Zigarette aus dem Fenster, steckte sich eine neue in den Mund, zündete sie an
und inhalierte tief. Er ließ den Rauch aus der Nase strömen, die Augen auf die Zigarette zwischen den Fingern gerichtet, und
sagte: «Toorak. Ja. Hübsche Gegend. Echt. Richtig hübsche Gegend.» Er sah mich an und nickte. «Da seh ich kein Problem. Macht
mir nichts aus, in die Richtung zu fahren. Wir wollten sowieso gerade los. Nicht, Sean?»
«Ja.» Sean lachte wieder, ein lautes, dümmliches Wiehern, das seinen Bauch erbeben ließ. «Wir wollten eh gerade von dieser
Scheißparty abhauen.»
«Gut», sagte ich. «Okay. Kann ich noch schnell meinem Freund Bescheid sagen?» Mir war eine Idee gekommen. «Kann er vielleicht
mitfahren? Wenn ihr nichts dagegen habt? Ihr müsstet ihn auch nur bis zu uns mitnehmen. Von da kommt er allein nach Hause.»
«Nee. Tut mir leid. Geht leider nicht, Mädchen.» Grant schüttelte den Kopf. «Der passt nicht mehr ins Auto. Wir sind schon
zu sechst: ich, Sean, Jerry und Chris. Und ihr zwei Mädels. Drei vorne und drei hinten. Kein Platz mehr frei.»
«Es sei denn, sie bleibt hier. Dann können wir ihren Freund und ihre Schwester natürlich mitnehmen», sagte Sean lachend. Diesmal
schaffte er es, meinem Blick auszuweichen und gleichzeitig über mich zu reden, als wäre ich gar nicht da.
«Schnauze, Sean. Alter Fettsack», sagte Grant in einem so |164| schroffen und verächtlichen Tonfall, dass ich mit einer vehementen Gegenwehr von Sean rechnete. Doch der lächelte nur einfältig,
legte seine Hand auf Grants Schulter und drückte sie. Es war eine merkwürdig liebevolle Geste.
«Lässt du mal ’ne Kippe rüberwachsen, Mann?», sagte er.
Grant warf Sean eine Zigarettenpackung auf den Schoß.
«Ich sag ihm nur schnell Bescheid, dass wir fahren. Dauert nicht lange.» Ich schüttelte Rachels Bein. «Rach? Ich bin gleich
wieder da. Die Jungs hier bringen uns nach Hause. Okay? Rach?»
«Nach Hause?» Sie öffnete die Augen und zog einen Schmollmund. Sie lallte jetzt noch stärker, und ihre Lider flatterten. «Müssen
wir schon los? Schade. Ich find’s so toll hier.»
«Okay?» Ich sah Grant an. «Bin
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