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Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Titel: Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Dicker
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gern malte.«
    »Wann ist es entstanden?«
    »Im Sommer 1975. Im Juli oder August, wenn mich die Erinnerung nicht trügt.«
    »Also kurz bevor die Kleine verschwunden ist.«
    »Ja.«
    »Wie hat er es gemalt?«
    »Mit Pinseln, nehme ich an.«
    »Hören Sie gefälligst auf, sich dumm zu stellen. Woher kannte er Nola?«
    »Jeder in Aurora kannte Nola. Er hat sie als Inspiration genommen, um dieses Bild zu malen.«
    »Und es hat Sie nicht gestört, dass bei Ihnen das Gemälde eines verschwundenen Mädchens hing?«
    »Nein. Es ist ein gutes Bild. So etwas nennt man Kunst . Und wahre Kunst ist verstörend. Die angepasste Kunst ist das Resultat einer von politischer Korrektheit verseuchten, degenerierten Menschheit.«
    »Sie sind sich darüber im Klaren, dass Ihnen der Besitz eines Kunstwerks, das eine Fünfzehnjährige nackt darstellt, Ärger einbringen könnte, Mr Stern?«
    »Nackt? Weder ihre Brüste noch ihre Schamgegend sind zu sehen.«
    »Aber es ist offensichtlich, dass sie nackt ist.«
    »Sind Sie bereit, diesen Standpunkt auch vor Gericht zu vertreten, Sergeant? Sie wissen genauso gut wie ich, dass Sie damit nicht durchkommen.«
    »Ich möchte nur herausfinden, warum Luther Caleb Nola Kellergan gemalt hat.«
    »Das habe ich Ihnen schon gesagt: Er malte gern.«
    »Kannten Sie Nola Kellergan?«
    »Ein bisschen, wie jeder in Aurora.«
    »Nur ein bisschen?«
    »Nur ein bisschen.«
    »Sie lügen, Mr Stern. Ich habe Zeugen, die aussagen, dass Sie ein Verhältnis mit ihr hatten und sie zu sich bringen ließen.«
    Stern hatte schallend gelacht. »Haben Sie Beweise für das, was Sie da vorbringen? Das bezweifle ich, weil es nämlich nicht stimmt. Ich habe die Kleine nie angerührt. Hören Sie, Sergeant, Sie tun mir leid. Sie treten bei Ihren Ermittlungen offenbar auf der Stelle und müssen sich Ihre Verdächtigungen aus den Fingern saugen, deshalb helfe ich Ihnen auf die Sprünge. Es war Nola Kellergan, die mich angesprochen hat. Sie ist eines Tages zu mir gekommen und hat gesagt, dass sie Geld brauchte. Sie hat eingewilligt, für ein Gemälde zu posieren.«
    »Sie haben sie fürs Posieren bezahlt?«
    »Ja. Luther war ein begnadeter Maler. Er besaß ungeheueres Talent! Er hatte für mich schon vorher wunderschöne Bilder gemalt, etwa Ansichten von New Hampshire oder Alltagsszenen aus unserem schönen Amerika, und ich war ganz begeistert. Meiner Meinung nach hätte Luther einer der großen Maler dieses Jahrhunderts werden können. Ich habe mir gesagt, er könnte etwas Grandioses schaffen, wenn er dieses wunderschöne Mädchen malt. Der Beweis: Wenn ich das Gemälde jetzt verkaufe, bringt es mir durch den ganzen Wirbel um diesen Fall bestimmt ein bis zwei Millionen Dollar ein. Kennen Sie viele zeitgenössische Künstler, die ihre Werke für zwei Millionen Dollar verkaufen?«
    Nach diesen Ausführungen hatte Stern verkündet, er habe nun genug Zeit verplempert und das Verhör sei beendet. Dann war er mit seiner Anwaltsschar im Schlepptau davongerauscht und hatte Gahalowood stumm und um eine ungeklärte Frage in seinen Ermittlungen reicher sitzen lassen.
    »Haben Sie dafür eine Erklärung, Schriftsteller?«, fragte mich Gahalowood, nachdem er mir Sterns Vernehmung wortgetreu wiedergegeben hatte. »Die Kleine kreuzt eines Tages bei Stern auf und schlägt vor, sich für Kohle malen zu lassen. Nehmen Sie ihm das ab?«
    »Das ist doch absurd. Wofür hätte sie das Geld brauchen sollen? Für die Flucht?«
    »Vielleicht … Aber sie hat ja nicht einmal ihre Ersparnisse mitgenommen! In ihrem Zimmer steht eine Keksdose mit hundertzwanzig Dollar darin.«
    »Was haben Sie eigentlich mit dem Gemälde gemacht?«, fragte ich.
    »Das behalten wir noch eine Weile. Es ist ein Beweisstück.«
    »Wozu, wenn Stern nicht angeklagt wird?«
    »Als Beweis gegen Caleb.«
    »Sie haben ihn also ernsthaft in Verdacht?«
    »Keine Ahnung, Schriftsteller. Stern hat Nola malen lassen, Pratt hatte mit ihr Oralsex, aber welches Motiv hätten sie gehabt, Nola zu töten?«
    »Die Angst, dass sie reden könnte?«, mutmaßte ich. »Vielleicht hatte sie gedroht, alles zu erzählen, und aus Panik hat einer der beiden sie erschlagen und anschließend im Wald vergraben.«
    »Aber warum dann dieser Vermerk auf dem Manuskript? Adieu, allerliebste Nola. Das stammt von jemandem, der die Kleine geliebt hat. Und der Einzige, der sie geliebt hat, war Quebert. Alles führt uns zu Quebert. Was ist, wenn bei Quebert, nachdem er das von Pratt und Stern erfahren hatte, eine

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