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Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Titel: Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Dicker
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einer von ihnen glaubte ich das Innere des Clark’s mit einer schönen, aber traurigen Frau an der Theke zu erkennen. Die Ähnlichkeit mit Jenny war frappierend, aber ich hielt sie für einen Zufall, bis ich die Zeichnung umdrehte und die Aufschrift auf der Rückseite las: Jenny Quinn, 1974 . Ich fragte: »Warum war Ihr Bruder geradezu besessen davon, blonde Frauen zu malen?«
    »Ich habe wirklich keine Ahnung«, sagte Sylla.
    Gahalowood sah sie mit sanftem, aber auch strengem Blick prüfend an und sagte dann: »Mrs Mitchell, es ist Zeit, uns zu sagen, warum Ihr Vater am Abend des 31. August 1975 meinte, dass Luther eine Dummheit begangen hatte.«
    Sie nickte.

    31. August 1975
    Als Jay Caleb um neun Uhr morgens den Hörer auflegte, war ihm klar, dass etwas nicht stimmte. Elijah Stern hatte ihm gerade mitgeteilt, dass Luther für unbestimmte Zeit Urlaub genommen hatte. »Sie suchen Luther?«, hatte Stern verwundert gefragt. »Er ist nicht hier. Ich dachte, das wüssten Sie.« – »Nicht hier? Aber wo ist er dann? Wir haben ihn gestern zur Geburtstagsfeier seiner Schwester erwartet, aber er ist nicht gekommen. Ich mache mir große Sorgen. Was genau hat er zu Ihnen gesagt?« – »Dass er wohl nicht länger für mich arbeiten kann. Das war am Freitag.« – »Nicht länger für Sie arbeiten? Aber wieso?« – »Das weiß ich auch nicht. Ich dachte, Sie wüssten es.«
    Kaum hatte Jay aufgelegt, griff er erneut zum Hörer, um die Polizei anzurufen, aber er führte die Bewegung nicht zu Ende. Ein ungutes Gefühl beschlich ihn. In diesem Moment erschien seine Frau Nadia im Büro. »Was hat Stern gesagt?«, wollte sie wissen.
    »Dass Luther am Freitag gekündigt hat.«
    »Gekündigt? Wieso das?«
    Jay seufzte. Die kurze Nacht steckte ihm in den Knochen. »Ich habe keine Ahnung«, antwortete er. »Ich weiß nicht, was das zu bedeuten hat. Ich verstehe gar nichts mehr … Ich muss ihn suchen gehen.«
    »Aber wo?«
    Er zuckte mit den Schultern, denn er hatte nicht die leiseste Ahnung.
    »Du bleibst hier«, befahl er Nadia, »für den Fall, dass er auftaucht. Ich rufe dich stündlich an, um dich auf dem Laufenden zu halten.«
    Er schnappte sich die Schlüssel seines Pick-ups und fuhr los, ohne zu wissen, wo er mit der Suche anfangen sollte. Schließlich entschied er sich, nach Concord zu fahren. Er kannte die Stadt kaum und irrte mit dem Wagen ziellos durch die Straßen. Er fühlte sich ziemlich hilflos. Mehrmals kam er an einem Polizeirevier vorbei. Am liebsten hätte er angehalten und die Beamten um Unterstützung gebeten, aber jedes Mal, wenn er es in Erwägung zog, riet ihm seine innere Stimme davon ab. Am Ende fuhr er zu Elijah Stern. Der war zwar nicht zu Hause, aber ein Angestellter führte ihn zum Zimmer seines Sohns. Jay hoffte, dass Luther eine Nachricht hinterlassen hatte, doch er fand nichts dergleichen. Das Zimmer war aufgeräumt, und es gab weder einen Brief noch sonst einen Hinweis, der seine Abreise erklärt hätte.
    »Hat Luther irgendetwas zu Ihnen gesagt?«, fragte Jay den Angestellten, der ihn begleitet hatte.
    »Nein. Ich war die letzten beiden Tage nicht hier, aber man hat mir gesagt, dass Luther vorerst nicht mehr hier arbeiten wird.«
    »Nicht mehr hier arbeiten? Hat er nun Urlaub genommen oder gekündigt?«
    »Das kann ich Ihnen nicht sagen, Sir.«
    Diese ganze Verwirrung um Luther war sehr seltsam. Jay war mittlerweile überzeugt, dass etwas Schlimmes passiert war, sonst wäre sein Sohn nicht sang- und klanglos verschwunden. Er verließ Sterns Anwesen und fuhr zurück in die Stadt. Dort hielt er an einem Restaurant, um seine Frau anzurufen und schnell ein Sandwich zu essen. Nadia teilte ihm mit, dass sie noch immer nichts von Luther gehört hatte. Beim Essen blätterte Jay die Zeitung durch, doch darin war nur von den Ereignissen in Aurora die Rede.
    »Was ist das mit dem verschwundenen Mädchen für eine Geschichte?«, fragte er den Wirt des Lokals.
    »Das ist eine ganz üble Sache …In einem Kaff eine Autostunde von hier entfernt sind eine arme alte Frau ermordet und ein fünfzehnjähriges Mädchen entführt worden. Die Polizei von ganz New Hampshire sucht nach der Kleinen …«
    »Wie kommt man nach Aurora?«
    »Sie fahren die 101 Richtung Osten. Sobald Sie ans Meer kommen, folgen Sie der Route 1 Richtung Süden, und schon sind Sie da.«
    Einer dunklen Vorahnung folgend, fuhr Jay Caleb nach Aurora. Auf der Route 1 wurde er zweimal von Polizeisperren aufgehalten, und als er wenig später am

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