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Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Titel: Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Dicker
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und im Fernsehen in Szene gesetzt hast. Wir haben uns alle gefragt, was du da für einen Quatsch erzählst.«
    »Warum hat mich denn niemand gewarnt?«
    »Dich gewarnt? Was hätten wir denn sagen sollen? Hätten wir dich fragen sollen, ob du vielleicht auf dem Holzweg bist, weil du von einer Mutter faselst, die zum Zeitpunkt der Tat längst tot war?«
    »Wie ist sie gestorben?«, fragte ich.
    »Keine Ahnung.«
    »Und was ist mit der Musik? Mit den Schlägen? Ich habe Zeugen, die das alles bestätigt haben.«
    »Zeugen? Wofür? Dass der Reverend sein Kofferradio voll aufgedreht hat, um in Ruhe seine Tochter zu vermöbeln? Ja, das haben wir alle geahnt. Aber du schreibst in deinem Buch, dass sich der alte Kellergan in der Garage verkrochen hat, während die Mutter die Kleine versohlt hat. Das Problem ist nur, dass die Mutter nie einen Fuß nach Aurora gesetzt hat, weil sie vor dem Umzug gestorben ist. Wie soll man jetzt glauben, was du sonst noch in deinem Buch schreibst? Außerdem hast du mir versprochen, meinen Namen in der Danksagung zu nennen …«
    »Das habe ich!«
    »Da steht, unter ›ferner liefen‹: E. Pinkas, Aurora . Ich wollte ihn aber in Großbuchstaben haben! Ich wollte, dass man über mich spricht!«
    »Aber ich …«
    Er legte mitten im Satz auf. Barnaski sah mich bitterböse an und richtete drohend seinen Finger auf mich. »Goldman, Sie nehmen morgen das erste Flugzeug nach Concord und bringen diesen Saustall in Ordnung.«
    »Roy, wenn ich mich in Aurora sehen lasse, lynchen die mich.«
    Er lachte gequält und versetzte: »Sie können sich glücklich schätzen, wenn Sie nur gelyncht werden.«

    War die Kleine, die Amerika gerührt hat, der Phantasie eines kranken, von einer Schaffenskrise befallenen Schriftstellerhirns entsprungen? Wie hatte man ein solches Detail so sträflich vernachlässigen können? Die Meldung des Concord Herald , die von sämtlichen Medien aufgegriffen wurde, säte Zweifel an der Glaubwürdigkeit von Der Fall Harry Quebert .
    Am Freitagvormittag, den 24. Oktober, nahm ich einen Flug nach Manchester und landete am frühen Nachmittag. Am Flughafen mietete ich ein Auto und fuhr direkt ins Hauptquartier der State Police von Concord, wo Gahalowood mich erwartete. Er unterrichtete mich darüber, was er über die Vergangenheit der Familie Kellergan in Alabama in Erfahrung hatte bringen können.
    »David und Louisa Kellergan heiraten 1955«, erklärte er. »Damals ist er bereits Pfarrer einer florierenden Gemeinde, und seine Frau unterstützt ihn bei seiner Arbeit. Nola wird 1960 geboren. In den Jahren danach keine besonderen Vorkommnisse. Aber eines Nachts im Frühjahr 1969 brennt das Haus nieder. Das kleine Mädchen wird mit knapper Not aus den Flammen gerettet, aber die Mutter kommt darin um. Ein paar Wochen später kehrt der Reverend der Stadt Jackson den Rücken.«
    »Ein paar Wochen später?«
    »Ja. Sie ziehen nach Aurora.«
    »Aber warum hat Harry mir dann erzählt, dass Nola von ihrer Mutter geschlagen wurde?«
    »Wahrscheinlich meinte er ihren Vater.«
    »Aber nein!«, widersprach ich. »Harry hat von der Mutter gesprochen! Es war die Mutter! Ich habe es sogar aufgenommen!«
    »Dann hören wir uns diese Aufnahme doch einmal an«, schlug Gahalowood vor.
    Ich hatte meine Minidiscs mitgebracht, breitete sie auf Gahalowoods Schreibtisch aus und versuchte mich anhand der Etiketten auf den Schutzhüllen zu orientieren. Obwohl ich sie sehr sorgfältig nach Person und Datum sortiert hatte, konnte ich die fragliche Aufnahme nicht finden. Erst als ich die Tasche komplett ausräumte, fiel mir eine letzte Disc ohne Datum in die Hände, die ich übersehen hatte. Sofort legte ich sie in den Player ein.
    »Seltsam«, sagte ich. »Warum habe ich diese hier nicht datiert?«
    Ich schaltete das Gerät ein und hörte meine Stimme, die als Datum Dienstag, den 1. Juli 2008, nannte. Damals hatte ich das Gespräch mit Harry im Besuchsraum des Gefängnisses aufgenommen.
    »War das der Grund, weshalb Sie fortgehen wollten? Oder warum hatten Sie für den Abend des 30. August gemeinsam die Flucht geplant?«
    »Das wiederum, Marcus, hing mit einer ganz schrecklichen Sache zusammen. Nehmen Sie das auf?«
    »Ja.«
    »Ich werde Ihnen jetzt etwas sehr Schlimmes erzählen, damit Sie alles verstehen. Aber ich möchte nicht, dass es bekannt wird.«
    »Sie können sich auf mich verlassen.«
    »Nun, als wir die Woche nach Martha’s Vineyard gefahren waren, hatte Nola ihren Eltern vorher nicht etwa erzählt, dass

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