Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Titel: Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Dicker
Vom Netzwerk:
Feuer hatte mittlerweile auf die Treppe übergegriffen. Von seinen Schreien alarmiert, kamen Nachbarn herbeigelaufen, aber sie konnten nur machtlos zusehen. Bis die Feuerwehr eintraf, hatte bereits der ganze erste Stock Feuer gefangen: Die Flammen schlugen aus den Fenstern und verschlangen den Dachstuhl. Louisa Kellergan wurde später tot geborgen, sie war erstickt. Der Polizeibericht schloss mit den Worten, dass die Vorhänge offenbar an einer brennenden Kerze Feuer gefangen hatten und sich der Brand rasch auf das ganze aus Holz erbaute Haus ausgebreitet hatte. Im Übrigen gab David Kellergan zu Protokoll, dass seine Frau beim Einschlafen oft eine Duftkerze auf der Kommode hatte brennen lassen.
    »Das Datum!«, stieß ich hervor, nachdem ich den Bericht gelesen hatte. »Schauen Sie sich das Datum des Brands an, Sergeant!«
    »Heiliger Himmel: 30. August 1969!«
    »Der Beamte, der die Ermittlungen durchgeführt hat, hatte lange Zeit Zweifel in Bezug auf den Vater«, erklärte Thomas.
    »Woher wissen Sie das?«
    »Ich habe mit ihm gesprochen. Er heißt Edward Horowitz und ist im Ruhestand. Er verbringt seine Tage damit, vor dem Haus sein Boot aufzuarbeiten.«
    »Können wir ihn besuchen?«, wollte Gahalowood wissen.
    »Ich habe schon alles arrangiert. Er erwartet uns um drei Uhr.«
    Horowitz, der pensionierte Inspektor, schmirgelte vor seinem Haus hingabevoll den Rumpf eines Holzboots ab. Da das Wetter jederzeit umschlagen konnte, hatte er das Garagentor geöffnet, um es als Unterstand zu nutzen. Er lud uns ein, uns ein Bier aus dem Sixpack zu fischen, das aufgerissen auf dem Boden lag, und redete mit uns, ohne seine Arbeit zu unterbrechen, wobei er uns jedoch zu verstehen gab, dass er ganz Ohr war. Er kam auf den Hausbrand bei den Kellergans zu sprechen und wiederholte im Wesentlichen, was wir bereits aus dem Polizeibericht wussten. »Dieser Brand war eine merkwürdige Geschichte«, meinte er zum Schluss.
    »Inwiefern?«, fragte ich.
    »Wir haben lange geglaubt, dass David Kellergan das Haus angezündet und seine Frau getötet hat. Seine Aussage ließ sich nämlich durch nichts belegen. Er sei wie durch ein Wunder gerade noch rechtzeitig zurückgekommen, um seine Tochter zu retten, aber zu spät für seine Frau. Da lag der Verdacht nahe, dass er den Brand selbst gelegt hatte, zumal er der Stadt ein paar Wochen später den Rücken gekehrt hat. Das Haus brennt ab, seine Frau stirbt, und er verduftet. Irgendetwas an der Geschichte war nicht ganz sauber, aber es gab nie den leisesten Beweis dafür, dass er der Täter war.«
    »Im Fall seiner verschwundenen Tochter war es lange genau dasselbe«, stellte Gahalowood fest. »1975 verschwindet Nola von der Bildfläche. Vermutlich wurde sie ermordet, aber es gab keinerlei Hinweis, der diesen Verdacht erhärtet hätte.«
    »Was denken Sie, Sergeant?«, wandte ich mich an Gahalowood. »Dass der Reverend zuerst seine Frau und später seine Tochter umgebracht hat? Glauben Sie, wir hatten den Falschen in Verdacht?«
    »Falls ja, wäre das eine Katastrophe«, presste Gahalowood hervor. »Wen könnten wir in dieser Sache noch befragen, Mr Horowitz?«
    »Hm, schwer zu sagen. Sie könnten es in der Mt-Pleasant-Kirche versuchen. Vielleicht besitzt man dort ein Verzeichnis der Gemeindemitglieder. Einige von ihnen haben Reverend Kellergan noch gekannt. Aber neununddreißig Jahre danach … Das wird Sie eine Menge Zeit kosten.«
    »Die haben wir nicht«, fluchte Gahalowood.
    »Ich erinnere mich noch, dass David Kellergan ziemlich engen Kontakt zu einer Art Pfingstlersekte hier in der Gegend hatte«, fuhr Horowitz fort. »Religiöse Fanatiker, die eine Stunde Fahrt von hier auf einer Farm in einer Gemeinschaft leben. Der Reverend hat nach dem Brand dort gewohnt. Ich weiß das, weil ich ihn im Rahmen der Ermittlungen dort aufgesucht habe. Er ist bis zu seinem Umzug dort geblieben. Fragen Sie nach Pfarrer Lewis, falls es den noch gibt. Der ist so was wie ihr Guru.«
    Der von Horowitz erwähnte Pfarrer Lewis leitete die »Gemeinde der Neuen Erlöserkirche« noch immer. Am nächsten Morgen fuhren wir hin. Officer Thomas holte uns in dem an der Autobahn gelegenen Holiday Inn ab, in dem wir zwei Zimmer gebucht hatten – das eine bezahlte der Staat New Hampshire, das andere ich –, und brachte uns zu einem riesigen Besitz, das zu einem Großteil aus Ackerland bestand. Nachdem wir uns zwischen den Maisfeldern verfahren hatten, begegneten wir einem Mann auf einem Traktor, der uns zu einer

Weitere Kostenlose Bücher