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Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Titel: Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Dicker
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gesagt habe, dass Sie vermutlich niemand benachrichtigen wird«, sagte er.
    »Benachrichtigen? Wovon?«
    »Es geht um Nola.«
    »Um Nola?«
    »Sie hat versucht, sich etwas anzutun. Sie hat versucht, sich umzubringen.«

20.
    Der Tag der Gartenparty
    »Harry, gibt es für das, was Sie mir erzählen, eine bestimmte Reihenfolge?«
    »Ja, selbstverständlich …«
    »Und was für eine?«
    »Na ja, wenn Sie mich so fragen … Vielleicht gibt es doch keine.«
    »Harry, das ist wichtig! Ich schaffe es nie, wenn Sie mir nicht helfen!«
    »Ach was, meine Reihenfolge ist nicht weiter wichtig. Am Ende kommt es auf Ihre an. Apropos, wo sind wir gerade? Bei 19?«
    »20.«
    »Also gut, 20: Der Sieg steckt in Ihnen, Marcus. Sie müssen ihn nur herauslassen wollen.«

Roy Barnaski rief mich am Samstagvormittag, den 28. Juni, an.
    »Mein lieber Goldman«, begann er, »Sie wissen, was für ein Datum am Montag ist?«
    »Der 30. Juni.«
    »Der 30. Juni. Na, so was! Verrückt, wie die Zeit verfliegt! Il tempo è passato , Goldman. Und was ist am 30. Juni?«
    »Der nationale Eiscreme-Soda-Tag«, erwiderte ich. »Ich habe gerade einen Artikel darüber gelesen.«
    »Am 30. Juni läuft Ihre Frist ab, Goldman! Das passiert am Montag! Ich habe vorhin mit Douglas Claren, Ihrem Agenten, gesprochen. Er ist völlig außer sich. Er sagt, er ruft Sie nicht mehr an, weil Sie unberechenbar geworden sind. ›Mit Goldman sind die Pferde durchgegangen‹, hat er zu mir gesagt. Wir versuchen, Ihnen eine rettende Hand zu reichen und uns mit Ihnen zu arrangieren, aber Sie, Sie galoppieren lieber ohne Ziel drauflos und rennen gegen die Wand.«
    »Eine rettende Hand? Sie wollen, dass ich so etwas wie einen Erotikroman über Nola Kellergan schreibe.«
    »Immer gleich große Worte, Marcus! Ich will das Publikum unterhalten, ihm Lust machen, Bücher zu kaufen. Die Leute kaufen immer weniger Bücher, außer wenn man ihnen Schauergeschichten vorsetzt, die ihre niederen Instinkte ansprechen.«
    »Ich werde keinen Schundroman schreiben, um meine Karriere zu retten.«
    »Wie Sie wollen. Dann sage ich Ihnen jetzt, was am 30. Juni passieren wird: Marisa, meine Sekretärin, die Sie ja kennen, wird um halb elf zur Morgenbesprechung in mein Büro kommen. Wir gehen jeden Montag um halb elf die wichtigsten Termine der Woche durch. Sie wird zu mir sagen: ›Marcus Goldman hatte bis heute Zeit, Ihnen sein Manuskript vorzulegen. Wir haben nichts erhalten.‹ Ich werde mit ernster Miene nicken, den Tag vermutlich verstreichen lassen und meine schreckliche Pflicht vor mir herschieben, aber um siebzehn Uhr dreißig werde ich schweren Herzens Richardson, den Leiter der Rechtsabteilung, anrufen, um ihn ins Bild zu setzen. Ich werde ihm sagen, dass wir Sie unverzüglich wegen Nichteinhaltung Ihres Vertrages verklagen und von Ihnen Schadenersatz in Höhe von zehn Millionen Dollar fordern.«
    »Zehn Millionen Dollar? Das ist lächerlich, Barnaski.«
    »Sie haben recht. Fünfzehn Millionen!«
    »Sie sind ein Arschloch, Barnaski.«
    »Nun, genau da irren Sie sich, Goldman: Das Arschloch sind Sie! Sie wollen bei den Großen mitmischen, sich aber nicht an die Regeln halten. Sie wollen in der Profiliga spielen, doch Sie weigern sich, an den Vorrunden teilzunehmen. Aber so läuft das nicht. Und wissen Sie was? Mit dem Geld aus Ihrem Prozess werde ich einen vor Ehrgeiz strotzenden Nachwuchsautor fürstlich dafür bezahlen, dass er die Geschichte von Marcus Goldman erzählt, diesem vielversprechenden Gutmenschen, der seine eigene Karriere und Zukunft torpediert hat. Er wird Sie in Florida in Ihrer Elendsbaracke interviewen, in die Sie sich verkrochen haben und in der Sie schon morgens um zehn Whisky saufen, um alles zu vergessen. Bis bald, Goldman. Wir sehen uns vor Gericht.« Er legte auf.
    Kurz nach diesem erbaulichen Anruf ging ich zum Mittagessen ins Clark’s. Dort begegnete ich zufällig den Quinns in der Version von 2008. Tamara saß an der Theke und stauchte gerade ihre Tochter zusammen, weil sie ihr dieses und jenes nicht recht machte. Robert war in einer Ecke in Deckung gegangen, aß Rührei und las den Sportteil des Concord Herald. Ich setzte mich neben Tamara, schlug eine Zeitung auf und tat so, als wäre ich in die Lektüre vertieft, aber in Wirklichkeit wollte ich mitanhören, wie sie sich, nach Luft schnappend, darüber beklagte, dass die Küche schmutzig, der Service nicht schnell genug und der Kaffee kalt war, dass die Ahornsirupflaschen klebten, die Zuckerdosen leer und die

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