Die Wahrheit über Geld - Wie kommt unser Geld in die Welt und wie wird aus einem Kleinkredit ein großer Finanzcrash (German Edition)
bis dorthin vor? In welchen Etappen wird der Zerfall vor sich gehen?
Winfried Neun: Der Prozess des Verfalls hat schon begonnen und kann mit folgenden Phasen als Szenario beschrieben werden.
Phase I: Zerrüttungsphase
Zuerst möchte ich hierfür den Fachbegriff „Background-Personality“ einführen: Damit bezeichnet man einen Pool von Stimmungen, welcher ähnlichen Gesetzmäßigkeiten folgt wie die Persönlichkeitsstruktur eines Menschen. Nur die Reaktionszeiten sind etwas länger und auch von der Grundgesamtheit der betroffenen Masse an Menschen abhängig.
Im Falle des Euro hat sich die negative Background-Personality schon gebildet. Die Gegenbewegungen an der Börse, in der Wirtschaft und auf der Straße in besonders hart getroffenen Ländern zeigen, dass der Glaube an den Euro sich in einem zerstörerischen Fahrwasser befindet. Systematisch erodiert die Kraft der gemeinsamen Währung durch die Zerrüttung der Glaubwürdigkeit von einzelnen Mitgliedstaaten. Die Suche nach einem Kümmerer, zum Beispiel die EZB, wird immer lauter und zeigt deutlich, wie es um den Euro bestellt ist. Vergleichbar mit Mediatoren sollen nun die Kümmerer den Zerfall aufhalten – leider nur mit geringem Erfolg.
Phase II: Alternativphase
Sobald erkennbar wird, dass der Zerfall des Euro nicht mehr aufzuhalten ist, werden öffentlich oder hinter verschlossenen Türen Alternativen diskutiert, etwa der Austritt einzelner Länder, die Rückführung von Schulden durch Schuldenschnitte, um wenigstens noch einen kleinen Teil der Eurozone zu retten. Leider ist sich jedoch kaum jemand bewusst, dass gerade diese Diskussionen einen weiteren Beitrag zur Vernichtung des Euro darstellen. Denn Alternativen sind für uns Menschen meistens Auswege, um nicht konsequent genug handeln zu müssen. Der eigene Wille oder der Wille einer Nation lebt immer vom Input-Output-Prinzip – viel Output bei wenig Input gilt hier als Maxime.
Und wenn wir eine Handlungsalternative sehen, die ein besseres Ergebnis verspricht und gleichzeitig auch eine Risikominimierung, dann entscheiden wir uns für diese. Alternativen sorgen also dafür, dass wir plausible Argumente bekommen, um in schwierigen Zeiten vielleicht sinnvolle und notwendige Aktivitäten (wie Sparprogramme) nicht umsetzen zu müssen. Der Verursacher ist dabei schnell ermittelt – der Euro und einige Eurostaaten werden dann an den Pranger gestellt. Die Glaubwürdigkeit und die Sinnhaftigkeit der Gemeinschaftswährung werden damit angegriffen und Vertrauen geht weiter verloren.
Phase III: Demontagephase
Nachdem schon einige Alternativprogramme diskutiert wurden, beginnt es in der Background-Personality zu brodeln. Kein gutes Haar wird mehr an der einst so hochgelobten Gemeinschaftswährung gelassen. Die kritischen Stimmen gewinnen die Oberhand und demontieren systematisch das Bild des Euro. Klagewellen, öffentliche Hassparolen und offizielle Bekenntnisse namhafter Persönlichkeiten schaffen eine Stimmung der Ausweglosigkeit. Ein Ziel rückt immer näher – die Abschaffung oder Einschränkung der Gemeinschaftswährung.
Phase IV: Vollendungsphase
Die nächste und letzte Phase bedeutet das endgültige Aus des Euro. Der politische und insbesondere soziale Druck wird in den Ländern durch die Background-Personality so hoch, dass Bürgerkriege oder Revolutionen befürchtet werden. Die zuvor diskutierten Alternativpläne werden dann plötzlich politisch opportun und können öffentlich angesprochen sowie eingeleitet werden. Das Ende ist nicht mehr aufzuhalten – ein Szenario für den Euroraum, welches aus wirtschaftspsychologischen Aspekten sehr wahrscheinlich scheint.
Brichta/Voglmaier: Herzlichen Dank für diese Einschätzung, lieber Herr Neun.
WIE ES WOHL
WEITERGEHEN
WIRD?
„NUR EIN GÄRTNER WEISS IM VORAUS, WAS IHM BLÜHT.“
–
Sprichwort
Da wir keine Gärtner sind, wissen wir natürlich nicht, was uns die Zukunft bringen wird. Trotzdem schrecken wir vor Prognosen nicht zurück, sofern wir sie für gerechtfertigt halten. Dies haben wir beim Euro gezeigt und dies wollen wir auch jetzt so halten, wenn wir uns wieder dem Hauptkrisenschauplatz zuwenden.
Die Eurokrise hat zwar schon so große Schlagzeilen gemacht, dass man meinen könnte, sie würde auf der Hauptbühne gespielt. Vergleicht man sie allerdings mit der weltweiten Finanzkrise, wird deutlich, dass um den Euro eher auf einem Nebenkriegsschauplatz gekämpft wird. Die eigentliche Schlacht ums Geld wird woanders geschlagen – mit mehr
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