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Die Wahrheit über Marie - Roman

Die Wahrheit über Marie - Roman

Titel: Die Wahrheit über Marie - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frankfurter Verlags-Anstalt
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ihren Margeriten zwischen den Zehen, auf dem Körper kleine glänzende Wasserperlen, die in der Sonne glänzten und nach und nach von ihr abtropften.
    Bevor Marie im letzten Jahr Rivercina verließ, hatte sie die Pferde ihres Vaters in die Obhut des Reitclubs von La Guardia gegeben. Schon zu Lebzeiten ihres Vaters hatte sich Peppino, der Verantwortliche des Clubs, um deren medizinische Betreuung gekümmert und war ein- oder zweimal im Monat nach Rivercina gekommen, um sich die Pferde anzusehen, ihr Fell zu prüfen und ihr Gebiss zu untersuchen. Der alte Maurizio hatte immer nur dafür gesorgt, dass die Pferde genug zu trinken hatten, und Maries Vater hatte zuweilen die Normalkost aufgebessert, indem er den Pferden Heu oder einen Eimer Hafer zusätzlich brachte. Mit seinem Eimer kam er dann zu den Pferden in die Koppel und begrüßte sie schon von weitem freudig ( ciao ragazzi , rief er ihnen zu und klatschte ihnen mit der flachen Hand auf den Hals, was die Pferde mit Schnauben und Schütteln der Köpfe quittierten und ganze Mückenschwärme aus ihrer Mähne aufscheuchte).
    Zu Nocciola, einer Stute mit sanften Augen, hatte Marie eine besondere Zuneigung gefasst. Sie war sie im letzten Jahr am Tag der Beerdigung ihres Vaters zum ersten Mal geritten, als sie zu Pferd den Leichenwagen über die Straßen Elbas bis zum Friedhof begleitet hatte. Anfang Juli dieses Jahres hatte sie Nocciola im Reitclub wiedergesehen und Lust bekommen, sie zu reiten. Sie ritt sie im Schritt, drehte unter der nachlässigen Aufsicht der Tochter Peppinos auf der Reitbahn langsam ihre Runden, während die mürrische Heranwachsende rittlings auf dem Gatter saß, sich ein telefonino ans Ohr hielt und mit schleppender Stimme telefonierte, dabei das Gesagte immer wieder mit einer kurzen Salve beredter Gesten ihrer umgedrehten Hand unterstrich. Der Reitclub bestand aus einer Reihe kleiner Steinhäuser, die an einer Lichtung gelegen war, zu der ein staubiger Feldweg führte, mit einem Gebäude für das Büro, einem Schuppen, in dem Sättel und Zaumzeug untergebracht waren, und Pferdeställen, einfachen Hütten aus Holzgebälk mit Dächern aus Blech, verstärkt mit genagelten Brettern, in denen die Pferde die Nacht verbrachten. In den einzelnen Boxen konnte man dunkle Mähnen erkennen, die sich im Innern bewegten, während die Beine unbeweglich unter den Lattenzauntüren zu sehen waren, als wenn oben und unten nicht zum selben Tier gehörten. Die Reitbahn war nach vorne hin mit einem kleinen weißen Holzzaun geschlossen, auf der anderen Seite, zur Macchia hin, dagegen völlig offen. Saß man auf dem Pferd, konnte man den Blick über wilde Olivenbäume hinweg weit in die Natur schweifen lassen, bis zum kahlen Gipfel des Hügels, auf dem Wind und häufige Waldbrände die Vegetation weggefressen hatten. Schon bald brauchte Marie niemanden mehr, der ihr half, Nocciola zu reiten, sie sattelte die Stute selbst, wenn sie im Club ankam, und führte sie am Zaumzeug zur Reitbahn, stieg dort allein in den Sattel und drehte im Schritt ihre Runden, schlug dann entschlossen auf die Flanke der Stute und ließ sie in Trab fallen, dann, nach Ablauf einer Woche, in den Galopp.
    Eines Tages, der August neigte sich seinem Ende zu, ließ Marie die alten Kleider liegen, die sie sonst immer beim Reiten oder bei der Gartenarbeit trug, und zog sich mit aller Sorgfalt an, schminkte sich vor dem Spiegel. Bevor sie das Schlafzimmer verließ, trug sie noch einen letzten Strich Lippenstift auf, dann tupfte sie die Lippen mit einem weichen Stück Papier von einer Klorolle vorsichtig ab und ließ es mit einem Abdruck ihrer Lippen auf dem Marmor der Kommode zurück – das stumme Relikt eines roten Kusses. Sie nahm den alten Lieferwagen ihres Vaters und fuhr gemächlich aus dem Anwesen hinaus auf die gewundenen Straßen Elbas. Das Meer lag blau und still unter ihr, heiße Luft wehte durch die offenen Fenster ins Wageninnere. Neben ihr auf dem Beifahrersitz lag ein Strauß wilder Blumen, den sie am Vorabend in der Küche zusammengesteckt hatte, mit der ihr angeborenen Raffinesse, die sie immer unter Beweis stellte, wenn es darum ging, Farben und Stoffe zu kombinieren, ohne das Ungewöhnliche zu erzwingen oder die Kreation zu suchen, eine einzige schlichte, sichere, natürliche Geste genügte, um in einer Vase das Selbstverständliche mit dem Unmöglichen zu vereinen, drei Fenchelstängel, die sie am Straßenrand gepflückt hatte, mit zwei frisch von einem Baum im Garten geschnittenen

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