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Die Wahrheit über Marie - Roman

Die Wahrheit über Marie - Roman

Titel: Die Wahrheit über Marie - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frankfurter Verlags-Anstalt
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sollte, strich nur sanft mit der Hand über ihren nackten Arm, die erste vorsichtige Berührung seit zwei Monaten. Es war Maries Idee gewesen, sie auf Elba zu besuchen, aber das hieß noch lange nicht, dass sich auch nur das Geringste in unserer Beziehung verändert hätte – wir waren immer noch getrennt, auch wenn unsere Beziehung durch den Lauf der Dinge eine ganz neue, vielschichtige Bedeutung bekommen hatte.
    So seltsam es auch klingen mag, ich gefiel Marie, ich hatte ihr immer gefallen. Ich hatte natürlich schon früher bemerkt, dass ich gefiel, vielleicht nicht den Frauen im Allgemeinen, aber jeder Frau im Einzelnen, denn jede glaubte, die Einzige zu sein, die durch den nur ihr gegebenen einzigartigen Scharfsinn, durch den alles durchdringenden Blick und ihre weibliche Intuition in mir verborgene Qualitäten ausmachen konnte, und sie hielten es sich dann zugute, die Einzige zu sein, die von dieser Entdeckung wusste. War doch eine jede von ihnen davon überzeugt, dass meine verborgenen, nur von ihnen aufgedeckten Qualitäten jeder anderen, außer ihr selbst, entgangen sein mussten, wo es doch in Wirklichkeit viele waren, die meine geheimen Qualitäten schätzten und meinem Charme erlagen. Aber es stimmt schon, meine verborgenen Qualitäten sprangen nicht jedem gleich ins Auge, denn aufgrund der feinen Nuancen und Subtilitäten konnte mein Charme auch glanzlos wirken und mein Humor schal, grenzt übermäßige Finesse am Ende doch an Fadheit.
    Auf der Fahrt nach Rivercina wurde mir im Wagen sofort schlecht, und als die Kurven anfingen, wurde mir speiübel. Marie musste an einer Landspitze anhalten, und ich stürzte aus dem Wagen, um mich zu übergeben (ah, was war ich doch für ein Verführer, ich musste ihr gefehlt haben). Die Hände auf die Knie gestützt und die Stirn schweißbedeckt, schüttelten mich Krämpfe, doch vergeblich, es kam nichts raus außer langen elastischen Speichelfäden, die zwischen meinen Füßen auf den Schotter tropften. Marie hatte sich ein paar Schritte entfernt und pflückte Blumen am Straßenrand, war dann in die Macchia hinuntergestiegen und sammelte unbekümmert auf dem steilen Hang einen Blumenstrauß, knabberte nebenher an einem Fenchelstängel, den sie zwischen den Lippen hatte. Ich beobachtete sie und stellte mir neidvoll den frischen Geschmack vor, den der Fenchel auf ihrer Zunge haben dürfte. Als sie zu mir zurückkam, deutete ich mit der gewinnenden Schüchternheit, die mein Wesen auszeichnet, ein flüchtiges Lächeln an, um meinen Zustand zu entschuldigen.
    Als ihr Vater noch lebte, hatten Marie und ich in Rivercina gemeinsam im Erdgeschoss des Hauses geschlafen, und ich stellte mir die Frage, welches Zimmer Marie jetzt für mich vorgesehen hatte. Sie schritt mir voran in die dunklen Räume des Erdgeschosses, und ich folgte ihr schweigend, wir kamen am Arbeitszimmer ihres Vaters vorbei, das vollständig leergeräumt war, die Fensterläden waren geschlossen, im Vorbeigehen registrierte ich im Halbdunkel flüchtig den Haufen aufeinandergestapelter Kisten. Wie selbstverständlich geleitete sie mich dann zu ihrem Schlafzimmer, und ich war erleichtert, feststellen zu können, dass sie mir immer noch vorschlug, bei ihr im Erdgeschoss zu schlafen. Als ich das Zimmer dann aber betrat, beschlich mich eine ungute Ahnung. Denn es herrschte so gar keine Unordnung in diesem Raum, es lagen keine Handtücher oder nassen Badeanzüge zusammengeknüllt auf dem Boden, es gab keine offenen Schubladen, kein noch in der Steckdose steckender Föhn lag herum. Nein, dieses Zimmer war in perfekter Ordnung, die Vorhänge waren geöffnet und sorgfältig zu beiden Seiten des Fensters zurückgebunden, ein Stapel mit Handtüchern war wie in einem Gästezimmer auf einem Stuhl bereitgelegt. Ich stellte meine Reisetasche auf einen Stuhl und begriff langsam, dass Marie nicht in diesem Zimmer schlafen würde, dass sie sich oben, im Schlafzimmer ihres Vaters, eingerichtet hatte.
    Am späten Nachmittag machte Marie mir den Vorschlag, schwimmen zu gehen. Wir gingen zu einer kleinen verlassenen Bucht, die sich in der Stille des Nachmittags weit erstreckte, eine reglose Stille aus sanft plätschernden Wellen und Insektengesumm. Marie spazierte in ihrem Badeanzug am Ufer entlang, sie hob einen Stein auf und kniete sich nieder, klopfte Arapeden von den Felsen und steckte sie sich in den Mund, während sie weiter am Wasser spazierte, saugte sie sie aus und warf sie dann mit einer lässigen, runden Armbewegung fort

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