Die Wahrheit
während sein Bruder hinter ihm stand und sich gegen die Wand drückte. Aber es war kaum noch ein Zentimeter Platz zwischen ihm und der Tür. Sobald Tremaine das Holz berührte, war es vorbei.
In diesem Augenblick stopfte Fiske die Papiere in die Aktentasche. »Das ist doch nicht zu glauben. Zuerst rennen uns zwei Schwarze fast über den Haufen, und jetzt das.«
Tremaine und Rayfield fuhren zu ihm herum und starrten ihn an. »Was für zwei Schwarze?« sagten sie unisono.
Fiske hielt inne und sah sie an. »Als wir das Gebäude betraten, stürmten sie uns entgegen und hätten Susan fast umgerannt.«
»Wie sahen sie aus?« fragte Rayfield angespannt und trat näher an Fiske heran. Tremaine kam schnell von der Badezimmertür zurück.
»Na ja, wie ich sagte, sie waren schwarz. Der eine sah aus, als hätte er mal in der NFL Football gespielt. Sie haben doch gesehen, wie groß er war, Susan?« Sie nickte und fing wieder zu atmen an. »Ich meine, er war riesig. Und der andere Typ war auch ziemlich groß, eins fünfundachtzig, eins neunzig, aber viel schlanker. Sie liefen, als wäre der Teufel hinter ihnen her. Dabei waren sie gar nicht mehr so jung. Mindestens fünfundvierzig oder fünfzig.«
»Haben Sie gesehen, wohin sie gelaufen sind?« fragte Tremaine.
»Sie sprangen in einen alten Wagen und brausten auf der Hauptstraße davon, in Richtung Norden. Ich kenne mich mit Autos nicht so gut aus, weiß nicht, was für ein Modell oder so es war, aber es war ein ziemlich alter PKW. Grün, glaube ich.« Er schaute plötzlich verängstigt drein. »Sie glauben doch nicht, daß einer von denen der entflohene Sträfling war, oder?«
Tremaine und Rayfield antworteten nicht, denn sie stürmten bereits zur Tür hinaus. Als Fiske und Sara hörten, wie die Tür des Vorzimmers aufgerissen wurde und dann schwere Schritte durch den Korridor polterten, sanken sie, wie mit unsichtbaren Fesseln verbunden, auf das Sofa. Sie sahen sich an und umarmten sich.
»Freut mich, daß ich Sie nicht erschießen mußte. Sie schalten verdammt schnell.«
Sie sahen zu dem grinsenden Gesicht von Josh Harms hoch, der gerade die Pistole in den Gürtel schob. »Wir sind beide Anwälte«, sagte Fiske heiser und ließ Sara noch immer nicht los.
»Na ja, niemand ist perfekt«, sagte Josh.
Rufus tauchte hinter seinem Bruder auf. »Danke«, sagte er leise.
»Hoffentlich glauben Sie uns jetzt«, sagte Fiske.
»Ja, aber ich werde Ihre Hilfe nicht annehmen.«
»Rufus .«
»Alle, die versucht haben, mir zu helfen, sind jetzt tot. Bis auf Josh, und uns hätte es heute abend beinahe auch erwischt. Das will ich nicht auf dem Gewissen haben. Steigen Sie wieder in Ihr Flugzeug und verschwinden Sie von hier.«
»Das kann ich nicht. Er war mein Bruder.«
»Wie Sie wollen, aber ohne mich.« Er ging zum Fenster und beobachtete, wie der Jeep davonraste, in nördliche Richtung. Dann winkte er Josh. »Hauen wir ab. Vielleicht juckt es sie ja, und sie kommen zurück.«
Als die beiden Männer sich zur Tür wandten, griff Fiske in seine Tasche, holte etwas heraus und hielt es Rufus hin. »Nehmen Sie meine Karte. Es steht sowohl meine Privatnummer als auch die meiner Kanzlei darauf. Rufus, überlegen Sie, was Sie tun. Allein kommen Sie nicht weiter. Sobald Ihnen das klar geworden ist, rufen Sie mich an.«
Fiske schaute überrascht drein, als Sara ihm die Visitenkarte aus der Hand nahm und etwas auf die Rückseite schrieb. Dann hielt sie sie Rufus hin. »Und meine Privatnummer und die von meinem Handy. Sie können uns beide jederzeit anrufen, Tag und Nacht.«
Langsam streckte er die große Pranke aus, nahm die Karte und schob sie in seine Hemdtasche. Kurz darauf waren Sara und Fiske wieder allein. Völlig erschöpft sahen sie sich an. Eine volle Minute verstrich, bevor Fiske das Schweigen brach.
»Na ja, ich muß eingestehen, das war ziemlich knapp.«
»John, ich will so was nie, nie wieder tun müssen.« Sara setzte sich wacklig in Bewegung.
»Wohin gehen Sie?«
Sie drehte sich nicht mal zu ihm um. »Ins Bad. Sonst muß ich mich hier auf den Teppich übergeben.«
KAPITEL 45
Eine Stunde nach seinem Gespräch mit Warren McKenna ging Chandler langsam die Auffahrt zu seinem Haus hinauf. Es war ein behagliches Backsteingebäude mit Zwischengeschoß in einem Viertel, in dem hauptsächlich solche Häuser standen. Eine schöne, sichere Gegend, in der Kinder ungefährdet aufwachsen konnten. Zumindest war es vor zwanzig Jahren so eine Gegend gewesen. Heutzutage war sie
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