Die Wahrheit
diese Frage nicht beantworten können, indem Sie einfach in den Spiegel sehen?« sagte Ramsey energisch.
Fiske erbleichte. »Da liegen Sie völlig falsch, Sir.«
»Ach ja? Die Behörden scheinen anderer Ansicht zu sein. Wenn Sie ein Mörder sind, hoffe ich, daß Sie den Rest Ihres Lebens im Gefängnis verbringen. Und was Ihr Bruder getan hat, ist kaum weniger schlimm als Mord, zumindest meiner Ansicht nach.«
»Mein Bruder hat das getan, was er für richtig hielt.«
»Diese Behauptung ist völlig lächerlich.«
»Harald . «, begann die Richterin, doch er unterbrach sie mit einer Handbewegung.
»Und ich will, daß Sie« - er zeigte auf Fiske - »aus diesem Büro und diesem Gebäude verschwinden. Sonst lasse ich Sie wegen Hausfriedensbruch verhaften.«
Fiske sah die beiden an. Der Ärger, den er in diesem Augenblick verspürte, war die Kulmination der letzten drei Tage, welche die reinste Hölle gewesen waren. Er hatte das Gefühl, daß Harold Ramsey Schuld an allen schrecklichen Dingen war, die ihm je widerfahren waren. »Ich habe das hübsche kleine Schild über dem Haupteingang dieses Gebäudes gesehen. >Gleiches Recht vor dem Gesetz.< Das finde ich lächerlich.«
Ramsey schien sich auf Fiske stürzen zu wollen. »Wie können Sie es wagen!«
»Ich habe einen Klienten, der in diesem Augenblick in der Todeszelle sitzt. Sagen Sie mir eins: Sollte ich jemals die >Ehre< haben, meinen Fall vor Ihnen zu vertreten ... interessiert es Sie dann überhaupt, ob mein Klient lebt oder stirbt? Oder werden Sie ihn und mich nur benutzen, um ein Präzedenzurteil aufzuheben, das Sie vor zehn Jahren angekotzt hat?«
»Sie unerträglicher ...«
»Können Sie mir das sagen?« schrie Fiske. »Denn wenn Sie es nicht können, weiß ich nicht, was Sie sind, aber ganz bestimmt kein Richter.«
Ramsey lief knallrot an. »Was wissen Sie denn schon? Das System...«
Fiske schlug sich an die Brust. »Ich bin das System. Ich und die Menschen, die ich vertrete. Nicht Sie. Nicht diese Institution.«
»Ist Ihnen nicht klar, wie bedeutend die Themen sind, mit denen wir uns hier befassen?«
»Wann haben Sie zum letztenmal einen Fall verhandelt, bei dem es um eine Frau geht, die von ihrem Ehemann verprügelt wird? Um ein mißbrauchtes Kind? Haben Sie je einen Menschen auf dem elektrischen Stuhl sterben sehen? Haben Sie schon mal einer Hinrichtung beigewohnt? Sie sitzen hier oben im Elfenbeinturm und sehen nie einen richtigen Menschen. Sie hören keine Augenzeugen, Sie hören niemanden an, nur einen Haufen hochkarätiger Anwälte, die Ihnen einen Haufen Papier vorlegen. Sie haben keine Vorstellung von den Gesichtern, den Menschen, dem Kummer und Schmerz hinter alledem. Für Sie ist das nur ein intellektuelles Spiel. Ein Spiel! Nichts weiter.« Fiske starrte den Mann an. Als er fortfuhr, zitterte seine Stimme. »Wenn Sie glauben, die großen Themen seien so schwer, sollten Sie sich mal mit den kleinen abgeben.«
»Sie sollten jetzt gehen«, sagte die Knight fast bittend. »Sofort.«
Fiske starrte Ramsey noch einen Augenblick lang an, beruhigte sich dann und sah die Frau an. »Das ist ein guter Rat, Frau Anwältin. Ich glaube, ich werde ihn befolgen.« Fiske drehte sich zur Tür um.
»Mr. Fiske«, donnerte Ramsey.
Fiske drehte sich langsam wieder um.
»Ich habe viele gute Freunde in der Anwaltskammer von Virginia. Man sollte sie von der Lage in Kenntnis setzen, und ich könnte mir vorstellen, daß man geeignete Schritte gegen Sie einleitet, die vielleicht zur Suspendierung und nachfolgenden Entziehung der Zulassung führen.«
»Schuldig, bis man seine Unschuld bewiesen hat? Ist das Ihre Vorstellung, wie das Strafrecht funktionieren sollte?«
»Es ist wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis Ihre Schuld bewiesen ist.«
Fiske wollte noch etwas sagen, doch Elizabeth Knight legte eine Hand auf das Telefon. »John, ich würde es vorziehen, wenn Sie das Gebäude ohne die Hilfe des Wachpersonals verlassen.«
Nachdem Fiske gegangen war, schüttelte Ramsey den Kopf. »Der Mann ist zweifellos ein Psychopath.« Er drehte sich um und sah die Knight an. Sie saß da, schaute starr geradeaus. »Beth, ich wollte Ihnen nur sagen, ich stelle Ihnen gern einen meiner Assessoren zur Verfügung, bis Sie Ersatz für Sara gefunden haben.«
Sie sah zu ihm hinüber. Das Angebot wirkte oberflächlich sehr nett. Doch wollte er unter dieser Oberfläche einen Spitzel in ihr Lager einschleusen?
»Ich komme schon klar. Wir müssen einfach noch mehr
Weitere Kostenlose Bücher