Die Wahrheit
gesagt. Ich weiß nicht genau, was, Johnny wollte nie so richtig damit raus, aber die haben den Jungen dann tot aufgefunden, und Johnny lag neben ihm, hatte den Arm um ihn gelegt. Er muß sich irgendwie zu dem Jungen geschleppt haben. Einigen Cops gefiel das gar nicht ... schließlich war ja einer von ihnen wegen des Jungen draufgegangen. Aber sie haben alles überprüft, und Johnny wurde von jeder Schuld freigesprochen. Es war der Fehler seines Kollegen gewesen. Auf jeden Fall ... auf dem Weg ins Krankenhaus wäre Johnny fast gestorben. Er wurde mehr als einen Monat stationär behandelt. Womit der Junge seine Waffe auch geladen hatte ... es hat Johnny innerlich zerfetzt.«
Sara mußte daran denken, daß John sein Hemd wieder heruntergezogen hatte, bevor sie miteinander schliefen. »Hat er eine Narbe?«
Ed warf ihr einen seltsamen Blick zu. »Warum fragen Sie?«
»Er hat so eine Bemerkung gemacht.«
Ed nickte langsam. »Vom Bauch bis zum Hals.«
»Zu alt fürs Nacktbaden«, murmelte Sara zu sich selbst.
»Die Ärzte hätten mit plastischer Chirurgie wohl einiges machen können, aber Johnny hatte die Nase voll von Krankenhäusern. Außerdem dachte er wohl ... wenn sie seine inneren Organe nicht wieder hinkriegen, spielt es sowieso keine Rolle, wie’s außen aussieht.«
Sara schaute angsterfüllt drein. »Was soll das heißen? Er wurde doch völlig wiederhergestellt, oder?«
Ed schüttelte traurig den Kopf. »Die Geschosse haben ihn schlimm zerrissen«, er legte die Hand auf seinen Leib, »hier drinnen. Sind wie Flipperkugeln in ihm herumgesprungen. Die Ärzte haben ihn zusammengeflickt, aber so ziemlich jedes innere Organ wurde verletzt. Vielleicht hätten sie ihn wieder hingekriegt, wenn Johnny ein paar Jahre lang im Krankenhaus geblieben wäre und sich Transplantationen und so unterzogen hätte. Aber so was ist nichts für Johnny. Die Ärzte sagen, irgendwann wird eines der verletzten Organe einfach ... aufhören zu arbeiten. Es ist wie bei Diabetes. Sie wissen schon, die Organe des Kranken sind schließlich ... kaputt.«
Sara drehte sich der Magen um, doch sie brachte ein Nicken zustande.
»Na ja, die Ärzte meinen, daß die beiden Kugeln Johnny zwanzig Jahre seines Lebens gekostet haben, vielleicht sogar mehr. Und sie konnten wirklich nichts dagegen tun. Damals war uns das egal. Verdammt, Johnny hatte überlebt, und nur darauf kam es uns an. Aber ich weiß, daß es ihm schwer zu schaffen macht. Tja, Johnny hat alles getan, um sich wieder in gute Form zu bringen, zumindest äußerlich. Hat Eisen gestemmt, ist gejoggt, bis er fast umkippte, und so was alles. Und er hat den Polizeidienst quittiert. Wollte nicht mal die verdammte Erwerbsunfähigkeitsrente annehmen, obwohl er sie sich verdient hat, finden Sie nicht auch? Johnny wurde Anwalt . und jetzt arbeitet er sich krumm und schief, ohne groß was dabei zu verdienen, und gibt mir und seiner Momma das meiste davon ab. Ich bekomme keine Rente, wissen Sie, und die Arztrechnungen meiner Frau sind mittlerweile so hoch, daß es mehr ist, als ich in meinem ganzen Leben verdient habe. Verdammt, ich mußte wieder eine Hypothek auf das Haus aufnehmen, nachdem ich es dreißig Jahre lang abbezahlt habe. Aber es ließ sich nun mal nicht ändern.«
Als Ed innehielt, schaute Sara zu dem Tisch hinüber, auf dem John Fiskes Tapferkeitsmedaille stand. Ein kleines Stück Metall für so viel Schmerz.
»Ich erzähle Ihnen das alles, damit Sie begreifen, daß Johnny wirklich nicht dieselben Ziele hat, die Sie und ich vielleicht haben. Er hat nie geheiratet, spricht nie davon, Kinder zu haben. Für ihn vergeht die Zeit viel schneller als für andere Menschen. Sollte er fünfzig Jahre alt werden, wird er sich für den glücklichsten Menschen auf Erden halten. Das hat er mir selbst gesagt.« Ed Fiske starrte zu Boden und mußte sich räuspern. »Ich hätte nie gedacht, daß ich Mike überleben werde. Und jetzt hoffe ich bei Gott, daß ich nicht auch noch meinen anderen Jungen überlebe.«
Endlich fand Sara ihre Stimme wieder. »Ich ... ich danke Ihnen sehr, daß Sie mir das alles erzählt haben. Ich kann mir vorstellen, wie schlimm das alles für Sie sein muß. Und dabei kennen Sie mich ja gar nicht.«
»Es kommt immer darauf an. Manchmal lernt man einen Menschen in zehn Minuten besser kennen als einen anderen, mit dem man schon das ganze Leben lang zu tun gehabt hat.«
Sara stand auf. »Ich danke Ihnen, daß Sie sich Zeit für mich genommen haben. Und Sie sollten sich
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