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Die Wand der Zeit

Die Wand der Zeit

Titel: Die Wand der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Bruce
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Lebenswillen gestärkt hat, statt mich zu lähmen.
    Es macht mir Sorgen, wie man mich empfangen wird, aberich bin auch gespannt darauf. Ich möchte im Triumph zurückkehren, allen zeigen, dass es mir gut gegangen ist und dass ich ihnen nichts nachtrage. Aber ich bin kein Dummkopf. Ich weiß, dass ich bei der Ankunft vorsichtig sein muss und mich am besten vielleicht erst mal ein paar Tage versteckt halte, bis ich weiß, wie die Stimmung im Land ist. Diesem Plan könnte Andalus jedoch im Weg stehen. Es ist schwierig, einen wie ihn unsichtbar zu machen, seinen massigen weißen Leib im Unterholz zu verstecken. Wenn noch Kundschafter aktiv sind, greifen sie uns im Nu auf. Zwei alte Männer, einer dick, einer dünn. Wie ein Komikergespann von anno dazumal: Andalus und Bran auf den Brettern.
    Obwohl ich ihm wenig zu essen gebe, wird mein Inselgefährte nicht dünner. Beweise dafür, dass er sich nebenbei noch Essen besorgt, habe ich zwar nicht mehr gefunden, aber vielleicht sucht er sich ja irgendwo doch was. Außerdem bewegt er sich kaum. Um abzunehmen, müsste er Sport treiben. Es ist jetzt Wochen her, dass er an den Strand gespült wurde. Wochen, und er hat noch kein Wort gesagt, in keiner Weise mit mir kommuniziert. Manchmal läuft er mir über die ganze Insel nach. Ich habe ihn auf den Felsen sitzen sehen, wo ich angle. Aber meistens bleibt er anscheinend in der Höhle, liegt auf dem Bett und starrt in die Luft. Während ich Fische räuchere oder Ruder zurechtschnitze, sehe ich ihn vor sich hin glotzen.
    Die drei Tage vor meiner geplanten Abreise sind eine Qual. Ich kann nicht schlafen und denke nur an die Fahrt.
    Der Mast ist an Bord verspannt. Schwerstem Wetter würde er nicht standhalten, aber damit bekommen wir es wohl kaum zu tun. Den meisten Proviant habe ich schon regendicht in Plastikverpackt und sicher an Bord verstaut. Aus einer meiner Planen habe ich ein Segel gemacht. Ein Behelf, aber es wird gehen.
    Andalus bekommt meine Erregung offenbar mit. Nachts steht er auf, öffnet die Tür und stellt sich an den Höhleneingang, sodass sich seine Silhouette gegen den dunklen Himmel abzeichnet. Gefühlte Stunden bleibt er da stehen, dann geht er langsam wieder ins Bett. In der vorletzten und der letzten Nacht macht er das. Am letzten Abend gehe ich nach dem Essen zu ihm. Ich habe ihn gut versorgt und so viel Proviant wie möglich vorbereitet, da wir jetzt drei Wochen damit auskommen müssen. Ich nehme sein Gesicht in die Hände und drücke zu, damit es wehtut und er mich ansieht. »Sie. Andalus«, sage ich. »Ja, ich weiß, wer Sie sind. Ich kenne Sie.« Er sieht mich weiter unverwandt an. »Ist Ihnen klar, was wir vorhaben?« Ich habe es ihm gesagt, bin mir aber nicht sicher, ob er es wirklich verstanden hat. »Wir fahren nach Bran. Sie erinnern sich an Bran. Dort waren Sie vor Jahren mal, um mit uns zu verhandeln. Wir hatten Krieg, wir schlossen Frieden. Sie und ich. Andalus und Bran. Sie erinnern sich.« Schweigen. »Ich bringe Sie dorthin, damit man Sie dahin zurückschickt, wo Sie herkommen. Hier können Sie nicht bleiben. Das ist nicht erlaubt.« Darauf zieht er sein Gesicht zurück und wendet sich ab. Ich glaube, jetzt hat er verstanden. Ich setze mich mit dem Rücken zur Wand ans andere Ende der Höhle und sehe ihn an, wie er hinter dem Feuer sitzt. »Können Sie mir jetzt mal sagen, was geschehen ist? Vor vier Wochen sind Sie hier angekommen. Ich habe Ihnen nichts getan. Was ist passiert, dass Sie sich so geändert haben? Sie waren der redseligste Mensch überhaupt. Manchmal denke ich, wir haben die Kampfhandlungen bloß eingestellt, damit Sie keinen Grund mehr haben zu quasseln.« Der Scherz geht an ihm vorbei.
    Nach einer Pause fahre ich fort. »In Bran müssen Sie reden. Wir sind nicht rachsüchtig, aber Sie haben gegen eine Bedingung des Friedensvertrags verstoßen. Die Strafe dafür kennen Sie. Wir haben sie gemeinsam festgelegt. Sie und ich. Natürlich wird man Gnade walten lassen, wenn Sie eine Erklärung haben: Meuterei, Rebellion, Verbannung. Ich glaube, das war es bei Ihnen. Sie sind verbannt worden wie ich. In dem Fall haben Sie aber nicht aufgepasst, denn leider sind Sie auf das Staatsgebiet von Bran geraten. Wenn Sie nicht reden, sich nicht rechtfertigen, kann es durchaus sein, dass Sie hingerichtet werden.« Er schweigt.
    Er lehnt mit dem Rücken an der Höhlenwand, hält den Kopf ein wenig schief. Das Feuer flackert auf seiner Haut. Erlischt. Es wird dunkler in der Höhle.
    »Wir nehmen einen

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