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Die Wand der Zeit

Die Wand der Zeit

Titel: Die Wand der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Bruce
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niemand reden wollte, das uns aber gerettet hat. Durch Töten gerettet.
    Ich rieche förmlich das Feuer, den Holzrauch. Ich höre förmlich das Knistern des Reisigs und sehe die Flammen, heller als je auf meiner Insel. Die Hitze, der Geruch, die Geräusche eines trockenen Landes ohne das alles durchdringende Wasser derInsel. Ich rieche das angesengte Fleisch eines Karnickels. Ich weiß jetzt, dass der Adler ein Karnickel geschlagen hat, denn ich sehe ihre Bauten. Es ist riskant, wenn ich versuche, ein Karnickel zu fangen. Dass man mich dabei ertappt, wie ich mich an den Reserven der Siedlung vergreife, wäre das Letzte, was ich will. Aber ich muss es tun. Wir haben vier Tage Fußmarsch vor uns und nur noch wenig Proviant.
    Vier Tage. Die Berge, die ich in der Ferne sehe, sind zwei Tage von hier, und Bran liegt noch mal zwei Tagesmärsche von dem Pass entfernt, auf dem wir die Bergkette überqueren werden. Vier Tage. Es wird uns wie eine Ewigkeit vorkommen.
    Ich sehe nirgends Anzeichen von Menschen um mich, und ich kann meilenweit sehen. Wenn ich etwas zu essen erbeuten will, ist das hier eine gute Stelle. Ich kehre zum Floß und zu Andalus zurück. Er sitzt mit gesenktem Kopf und angezogenen Knien da. Ich hole ein Stück Schnur und eins meiner Krabbennetze vom Floß. Karnickel fangen kann man damit genauso gut.
    Ich überlege, ob wir besser nachts wandern und tagsüber schlafen sollten, um einer Entdeckung zu entgehen. Ich erwäge das Für und Wider: erhöhte Gefahr, am Berg abzustürzen, weniger Gefahr, entdeckt zu werden. Verstecken können wir uns aber nur am Berg. Wenn wir tagsüber hier draußen schlafen, unter einem Baum oder Strauch, sind wir auf Meilen im Umkreis zu sehen. Wach bleiben und hoffen, dass man die anderen zuerst sieht, ist besser.
    Am Abend unter den Sternen fühle ich mich nur kurz einmal unwohl. Andalus und ich essen uns an Karnickelfleisch und den Früchten eines Baumes satt, die ich aus meiner Jugend kenne. Unbehagen bereitet mir der Gedanke, dass bisher alles zu glatt gegangen ist. Ich brauchte nicht lange auf die Kaninchenzu warten, sie sprangen nur so in die Falle, und der einzige Baum weit und breit strotzte vor Obst. Schon das kann nur bedeuten, dass hier noch immer keine Menschen leben. Sie hätten eine solche Fülle nicht übersehen.
    Dieser Teil der Territorien war noch nie so fruchtbar. Auch sonst keiner. Es ist trocken hier und doch zugleich ganz anders, als ich es in Erinnerung habe. Eine fruchtbare Trockenheit. So sieht ein Land aus, das sich auf den Frühling freut. Es gibt offensichtlich so viel Wasser, dass Gräser, Bäume und Tiere zurückgekehrt sind. Ich frage mich, ob die ganze Welt einmal so war, wenn nicht sogar noch fruchtbarer. Bäche, die durch Wiesen aus saftigem Gras fließen, Obstbäume am Ufer, das Wasser verwirbelt von Fischen. Einst waren wir viele, davon bin ich überzeugt, und dann sah es doch sicher auch woanders so aus? Ich habe mich oft gefragt und denke auch jetzt wieder daran, ob wir gründlich genug gesucht haben. Haben wir als Volk uns trotz jahrelanger Suche in den Ödländern zu früh niedergelassen? Ist uns ein Land entgangen, das keine Sorgen kannte, das statt Ruinen unbekannten Ursprungs eine überlieferte Vergangenheit besaß? Ein Land voller Menschen, alt und jung, krank und gesund. Lag es immer um die nächste Ecke? Aber nein. Alles, was ich an Hinweisen auf eine fantastische Vergangenheit gesehen habe, war tot. Begraben. Auf andere Welten wurde sonst nur in Gerüchten und Legenden angespielt: Geschichten von mythischen Wesen aus ferner Vergangenheit wie die Sage von dem Mann in der Bergwand, die meinem Volk so viel bedeutete.
    Diese Gedanken beschäftigen mich nicht lange. Seit Jahren habe ich nicht solche Sterne gesehen. So mit Staunen erfüllt haben sie mich seit meiner Kindheit nicht. Früher habe ich manchmal unter freiem Himmel geschlafen, wenn ich durfte,wenn die Waffen ruhten, wenn kein Rauch, kein stumpfgelber Nebel über unserem Lager hing. Dann sah ich zu den Sternen hoch und stellte mir vor, ich besuchte sie, wanderte durch die silbernen Täler mit ihrem puderweichen Sand. Ein Land ewiger Nacht stellte ich mir vor, aber eine warme Nacht mit noch mehr Sternen ringsherum, noch mehr Lichtnadelköpfen. Ich blickte auch zum Mond mit seinen Kratern und hätte gern gewusst, ob von dort jemand zu mir herunterschaute.
    Heute Abend jedoch geht mir Tora durch den Kopf und die Aussicht, sie wiederzusehen. Einige Dinge könnten das verhindern. Ich

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