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Die Wand der Zeit

Die Wand der Zeit

Titel: Die Wand der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Bruce
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liste sie auf. Erstens, ich sterbe in den nächsten vier Tagen an Herzschlag, durch den Pfeil eines Kundschafters, durch ein vergiftetes Tier. Zweitens, wenn ich die Siedlung erreiche, lassen sie mich nicht zu ihr. Drittens, sie ist tot. Ich versuche auszurechnen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass ich sie nicht wiedersehe. Zu kompliziert.
    Ich denke daran zurück, wie wir uns kennengelernt haben. Es zeichnete sich ab, dass der Krieg ein Fehlschlag war, dass er uns der Menschen beraubte, die wir brauchten, um die Not zu überwinden; dass er uns die gesunden jungen Männer nahm und die Alten und Schwachen, die Frauen und Kinder ließ.
    Ich leitete inzwischen den Krieg von Bran aus und besuchte gelegentlich die Truppen. An der Kandidatur für das Marschallamt arbeitete ich damals noch. Wir hatten eine Art ziviles Oberhaupt, doch ich wollte meine Rolle mit seiner verbinden. Ich machte Pläne für die Zukunft der Siedlung, entwickelte meine Vision für Bran und Axum, die beiden einzigen Gemeinschaften, die wir jemals gekannt hatten.
    In vorbereitenden Gesprächen mit Andalus hatte ich mit Abel und anderen engen Mitarbeitern das Konzept erörtert. Wir mussten die Menschen überreden, meinen Plan anzunehmen.Andalus wusste so gut wie ich, dass wir unsere Ziele besser auf dem politischen als auf militärischem Weg erreichten. Die gegenseitige Unterstützung erleichterte uns beiden den Sieg, denn es war klar, dass das Konzept nur funktionieren würde, wenn beide Seiten es annahmen. Und klar war auch, dass wir starke Führer brauchten, um es durchzusetzen. Ich wurde Marschall von Bran. Er behielt seinen Generalstitel. Im Abstand von wenigen Monaten wurden wir Regierungschefs.
    Mehrere Monate, vielleicht auch ein Jahr vorher war ich auf einer Versammlung, auf der die Tragweite des Konzepts erörtert wurde. Tora saß hinten im Saal. Wir stellten prominenten Bürgern und Militärs unsere Pläne vor. Tora war wohl in ihrer Eigenschaft als Nahrungsmittel-Koordinatorin dort, eine nicht unbedeutende Büroarbeit, bei der sie einem General unterstand.
    Ich begann meinen Vortrag mit den Grundsätzen des Großen Plans. Es sollte drei Personengruppen geben, unterteilt in drei Klassen. Verwalter, Produzierende und Kinder unter dreizehn Jahren waren einzustufen in die Klassen A, B oder C. Die meisten Bürger waren Klasse A. Jede Klasse enthielt Mitglieder aus allen Gruppen. Die Klasse richtete sich ausschließlich danach, ob ein Bürger oder eine Bürgerin ihre Funktion erfüllen konnte, sei es in der Produktion oder in der Verwaltung. Verwaltende wie ich selbst und Tora sollten für einen geregelten Ablauf des Lebens in der Siedlung sorgen, und Produzierende wie Toras Mutter sollten Land bestellen oder Güter für den Bedarf der Siedlung herstellen. Klasse B war den vorübergehend Untauglichen vorbehalten, denjenigen, die augenscheinlich nicht mitmachen wollten oder sich vor Verantwortung zu drücken suchten, und jenen, die in die Nähe von Klasse C rückten, weil sie alt oder gebrechlich waren. Bürger, die nicht arbeitenkonnten oder wollten, aus welchem Grund auch immer, waren nicht mehr von Nutzen, wurden als Last angesehen und Klasse C zugeteilt. C-Bürger wurden eliminiert.
    Der Schwachpunkt der Klasseneinteilung lag darin, dass sie von Verwaltern vorgenommen wurde. Um der Möglichkeit vorzubeugen, dass diese Personen Schwächen in ihrer Familie, unter ihren Freunden oder bei sich selbst geheim hielten, führte ich ein System ein, wonach regelmäßig jeder von zufällig ausgewählten Mitgliedern der anderen Gruppen befragt und überprüft wurde. Hatte jemand Bedenken, dieser oder jener könnte falsch eingeteilt sein, kam er damit zu mir. Wenn es jemandem gelang, das System zu überlisten, dann immer nur kurz.
    Die Rolle des obersten Schiedsrichters übernahm ich selbst. Ich war derjenige, der die Namen nach A, B oder C schob. Ich war derjenige, der den Betroffenen in die Augen sah. Ich nahm vieles auf mich. Manchmal fragte ich mich, was passieren würde, wenn meine Zeit kam. Wer würde mich aussortieren? Lange hielt ich mich mit dem Gedanken nicht auf.
    Wer nicht arbeitete, bekam keine Unterstützung. Unterstützt wurden nur gesunde Flüchtlinge und vorübergehend Arbeitsunfähige.
    Nichtanzeigen einer möglichen Herabstufung auf C wurde mit umgehender C-Einstufung beider Parteien bestraft. Deshalb brauchte ich nur sehr selten als Schiedsrichter einzugreifen. Wenn jemand ernstlich krank wurde, verbarg man das nicht. Man hatte

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