Die Wanderapothekerin 3: Hexenjagd (German Edition)
Schulter.
»Auf geht’s! Ihr zwei müsst in den Turm, bis euer Prozess beginnt. Versucht aber nicht, diesen Geisterbären hierherzuhexen. Es würde euch nicht gut bekommen.«
Der Richter drehte sich um und fuhr den Mann an. »Ich sagte, ihr sollt die zwei gut behandeln! Wenn du meine Befehle so missachtest, bist du die längste Zeit Stadtknecht gewesen.«
»Ja, Herr! Ich tu ihnen schon nichts.« Der Mann schnaubte und machte eine Bewegung, als wolle er ein paar Hühner scheuchen.
Klara begriff, dass sie den bewaffneten Knecht besser nicht verärgern sollte. Daher fasste sie Martha bei der Hand und zog sie mit sich.
»Keine Angst!«, sagte sie. »Es wird alles gut.«
»Das wird es!«, antwortete ihre Freundin mit leuchtenden Augen. »Herr Tobias ist ein ebenso schmucker wie mutiger Mann. Er schafft es bestimmt, den Bären zu erlegen.«
Der hingebungsvolle Blick, den Martha dem Sohn des Laboranten nachsandte, brachte Klara beinahe dazu, diesem ein Scheitern zu wünschen. Da dies jedoch auch auf ihre Kosten gehen würde, besann sie sich eines Besseren und bat den Heiland in Gedanken, dem jungen Mann beizustehen.
8.
D ie Drohung des Stadtrichters zeigte Wirkung, denn die Büttel behandelten Klara und Martha besser, als diese es zu hoffen gewagt hatten. Sie wurden zusammen in eine Kammer gesperrt, in der es zwei schmale Betten gab. In einer dunklen Ecke befand sich ein Eimer für ihre körperlichen Verrichtungen, und Klaras Reff wurde nebenan so sorgfältig abgestellt, dass nichts beschädigt werden konnte. Klara durfte sogar ihr Geld behalten. Nur das Messer nahm man ihr ab.
»Nicht, dass du uns die Kehle durchschneidest, wenn wir euch das Essen bringen oder den Eimer wechseln«, witzelte der Wärter. »Ihr zwei sollt ja ganz gefährliche Hexen sein.«
Sein Grinsen zeigte, dass er die Anschuldigungen selbst nicht glaubte. Kurz darauf brachte er ihnen frisch gewaschene Decken und später auch etwas zu essen und Bier.
»Danke!«, sagte Klara verblüfft.
»Keine Ursache! Der junge Herr, der den Bären fangen will, hat mir einen Taler versprochen, damit ihr gut versorgt werdet«, erklärte der Mann und verließ die Zelle.
Klara hörte, wie er draußen den Riegel vorschob, und spürte auf einmal eine tiefe Leere in sich. Sie war eingesperrt, und es erschien ihr zweifelhaft, ob sie jemals die Freiheit wiedererlangen würde. Der Köhler Görch kam ihr in den Sinn, und die Höhle, in die dieser sie gesperrt hatte. Damals hatte sie ihr Schicksal selbst wenden können. Doch nun war sie auf die Hilfe anderer angewiesen. Wenn es Tobias Just nicht gelang, den Bären zu töten, würde vermutlich auch der Stadtrichter glauben, dass es sich um ein Geisterwesen handelte, und sie und Martha zum Tode verurteilen.
Solche Gedanken waren Martha fremd. Sie aß zufrieden ihren Eintopf und trank genüsslich ihr Bier. »So gut habe ich selten gespeist«, meinte sie, als sie satt war.
Klara hingegen musste sich förmlich zum Essen zwingen.
Danach fragte Martha sie nach Tobias aus und schwärmte dabei so sehr von ihm, dass Klara es beinahe bedauerte, die Leibeigene gerettet zu haben.
9.
T obias Just betrat den
Goldenen Hirsch
in einer Stimmung, in der er am liebsten mit der ganzen Welt Streit angefangen hätte. Da er auf diese Weise jedoch nicht weiterkommen würde, beherrschte er sich, ließ sich einen Krug Bier hinstellen und musterte die anwesenden Männer. Ihrer Tracht nach waren die meisten Jäger oder Jagdgehilfen. Eben gab einer seine letzten Abenteuer zum Besten und erzählte von einem Riesenbären, den er ganz allein erlegt haben wollte.
»Das war ein Viehzeug, sage ich euch! Aufgerichtet war er fast doppelt so groß wie ich, und er hatte Reißzähne, größer als die Finger meiner Hand!« Dabei hob er prankenartige Hände und spreizte die Finger, damit alle sahen, wie groß die Zähne gewesen waren.
»Und Ihr habt ihn wirklich ganz allein erlegt?«, fragte ein junger Bursche im grünen Rock, mit roter Weste und gelben Kniehosen.
Der Jäger war ein baumlanger Kerl, der Tobias um mindestens einen Kopf überragte. Nun hieb der Mann mit seiner Pranke auf den Tisch. »Glaubt Ihr mir etwa nicht? Bürschchen, werdet erst einmal trocken hinter den Ohren, bevor Ihr es wagen könnt, einen Karl von Teck der Lüge zu zeihen. Es brauchte nur einen einzigen Schuss, um das Untier niederzustrecken. Allerdings besitze ich auch die beste Waffe dazu!« Mit diesen Worten griff Karl von Teck hinter sich, nahm eine Flinte vom Haken, die
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