Die Wanderbibel
(200 Kilokalorien) verbraucht, allerdings kann man mit einer Stunde heftigem Sex (480 Kilokalorien) deutlich mehr für die schlanke Linie tun.
Im Umkehrschluss heißt das, wer ein Fastfood-Standardmenü, bestehend aus einem Doppel-Whopper, einer Portion Fritten und einem Milchshake mit gemächlichem Mittelgebirgswandern abarbeiten will, muss sich schon etwas mehr als vier Stunden auf die Socken machen. Und wer sich zum Nachtisch noch eine Tüte Gummibärchen gönnen will, muss nochmals zwei Stunden Marsch dranhängen.
So richtig Hüftgold los wird man als Wanderer allerdings beim strammen Bergwandern in richtig steilem Gelände. Da wird fast die gleiche Menge Kalorien ver brannt (800 Kilokalorien) wie beim schnellen Joggen oder beim Squash. Im Klartext heißt das: Bei der Besteigung eines hübschen Wander-Dreitausenders in den Alpen verbraucht man so viele Kalorien, dass selbst wenn man am Frühstücksbüffet kräftig zuschlägt oder abends eine ganze Batterie Tiroler Speckknödel gefolgt von einem gewaltigen Kaiserschmarren verdrückt, man immer noch darauf zählen kann, dass sich diverse Fettpölsterchen in Luft auflösen.
Aber nicht nur an Bauch und Hüfte, nein, auch im Oberstübchen tut sich einiges: Mit der vermehrten Durch blutung des Gehirns erhöhen sich nämlich auch die Konzentrations- und geistige Leistungsfähigkeit.
Und natürlich ist Wandern, wenn es nicht gerade durch einen Industriepark geht, auch gut für die Stimmung. Nicht nur Psychologen wissen: Aufgrund ihrer Naturnähe wirkt die Farbe Grün im Gegensatz zur anregenden Wirkung der Farbe Rot beruhigend und harmonisierend. Grün mindert negative und verstärkt positive Emotionen, hebt den Spiegel der Stimmungshormone und verlangsamt beruhigend die Hirnstromschwingungen. Die Tafeln in den Schulen und die Spielfelder von Billardtischen sind grün, da die Farbe für die Augen angenehm wirkt und die Kontrastwirkung mit anderen Farben hervorhebt. Und auch Chirurgen tragen dem Vernehmen nach nicht nur einen grünen OP-Kittel, damit man das verschmierte Blut nicht so sehr sieht. Schon Hildegard von Bingen, eine führende Natur- und Heilkundige des Mittelalters, erkannte die positive Heilwirkung der Farbe Grün für Körper und Seele. »Das Grüne ist gut für die Augen«, meint auch der wohl berühmteste Dichter und Schriftsteller Dänemarks, Hans Christian Andersen – übrigens ein begeisterter Wanderer –, in seinem Märchen vom hässlichen Entlein.
Und Heinrich Heine ging auf seiner Harzreise sogar so weit zu behaupten, dass die Bäume grün sind, weil grün gut für die Augen ist. Und deshalb tut unserer alltagsgeplagten Seele der straffe Schritt durch die Natur so gut. Auf grüne Wiesen und Wälder zu schauen entspannt sicher mehr als der Blick auf ein Zuchthaus, einen Schrottplatz oder eine Tierkörperverwertungsanstalt.
Lediglich der expressionistische Maler Wassily Kandinsky sah im Grün ein »beschränkendes Element« und daher die Farbe der »Bourgeoisie«. Das Grün sei »wie eine dicke, sehr gesunde, unbeweglich liegende Kuh, die nur zum Wiederkäuen fähig mit blöden, stumpfen Augen die Welt betrachtet«. Offensichtlich war Kandinsky kein Wanderer.
Und obendrein entspannt Wandern auch noch, denn durch körperliche Bewegung werden Stresshormone wie zum Beispiel Adrenalin abgebaut. Gleichzeitig schüttet der Organismus, wie bei anderen Ausdauersportarten auch, nach ein bis zwei Stunden körperlicher Belastung körpereigene Glücklichmacher, sogenannte »Glückshormone« oder »Endorphine« aus, die das Wohlbefinden steigern und die Stimmung heben. »An einem Sommermorgen, da nimm den Wanderstab, es fallen deine Sorgen wie Nebel von dir ab«, wusste bereits der in Sachen Wandern so gern zitierte Theodor Fontane.
Ich persönlich habe diese hormonbedingten Glückserlebnisse noch nie am eigenen Leib erfahren. Euphorische Rauschzustände und das Gefühl, ewig weiterwandern zu können, ähnlich wie Marathonläufer von ihrem »Runner’s High« berichten, bei mir findet das einfach nicht statt.
Vielleicht muss ich mich ja mit der Tatsache trösten, dass auch nach einem guten Essen Endorphine freigesetzt werden. Vor allem soll der Verzehr von Bitterschokolade den Endorphinspiegel beträchtlich erhöhen. Stimmt, nachdem ich eine Tafel Schokolade verputzt habe, fühle ich mich richtig gut.
Das vielleicht Beste am Wandern ist die Tatsache, dass es im Gegensatz zu anderen, womöglich etwas angesagteren Freizeitaktivitäten wie Golf, Surfen
Weitere Kostenlose Bücher