Die Wanderbibel
mehr als nur Spaziergänge in den Alpen unternimmt, trägt die Versicherung des DAV doch bis zu 25.000 Euro Bergungs- und Folgekosten.
Das Kuriose an meiner Helikopterbergung war übrigens, dass wir selbst keine Rettung aus der Luft angefordert hatten, ich konnte ja noch gehen. »Sag dem Burschen da vorne, er möge unten auf der Alpe Bescheid sagen, dass der Bauer uns mit dem Jeep entgegenkommen soll«, sagte ich zu Anja nachdem sie meine Wunde »erstversorgt« hatte. Der Bursche, der da in 150 Meter Entfernung abstieg, war Einheimischer und ganz zufällig Eigentümer des Offroaders, den wir beim Aufstieg gese hen hatten. Da der Offroader den steilen Weg nicht hoch fahren konnte, rief der Bursche einen Bekannten von der Bergrettung an, der mit dem Jeep kommen sollte, während wir ihm entgegengingen. Dummerweise war nur die Gattin zugegen, die die Information weitergeben wollte. Wir stiegen ab, derweil eine Art Stille Post aus meiner Schnittwunde allmählich eine anscheinend lebensgefährliche Verletzung machte. Außerdem erweiterte sich der Radius der Gegend, in der wir uns aufhielten. Wir waren »irgendwo« in der Gegend rund um den Toblermann. Fazit: Wir schlichen einige Hundert Meter abwärts zur Alpe, mal hörten wir von Ferne einen Hubschrauber linkerhand, mal einen rechterhand, als wir schon im Wald waren, röhrte er über uns hinweg, und auf der Alpe, direkt neben dem Offroader des Bauern, nahm er uns in Empfang. Dass ich natürlich gleich am ersten Tag unseres Urlaubs stürzte und neun glasklare, milde Septembertage folgten, an denen ich humpelnd sämtliche Seilbahnen der Gegend ausprobierte und mit Anja viele Cafés besuchte, sei nur am Rande erwähnt.
Laut Deutschem Wanderinstitut scheint es vor allem die Höhe zu sein, die bei den Wanderunfällen eine entscheidende Rolle spielt. Denn gerade mal ein Viertel aller Unfälle spielt sich unter 1400 Meter Höhe ab. Will heißen, Mittelgebirgswanderer sind deutlich weniger gefährdet als Wanderer, die in den Alpen ihrem liebsten Hobby frönen.
Übrigens sterben rund 35 Prozent aller beim Wandern zu Tode Gekommenen am plötzlichen Herztod. Vor allem Männer zwischen vierzig und sechzig Jahren sind betroffen: Offensichtlich steigt das Risiko mit zunehmendem Alter beträchtlich. Gerade ältere, untrainierte Bergwan derer schätzen ihre eigene Leistungsfähigkeit häufig nicht realistisch ein und überfordern sich. Beim Bergwandern kann die Midlife-Crisis offenbar auch mal tödlich enden. Dennoch ist es allemal gesünder, sie mittels Wandern zu therapieren als mit einer Harley oder gar einem Mountainbike. Und so betrachtet wohl nicht nur der Österreichische Alpenverein »sportlich nicht regelmäßig aktive Männer über 35« als die »Hochrisikogruppe« unter den Wanderern.
Diese doch etwas unerwarteten Horrorzahlen sollten jetzt aber keinesfalls ein Grund sein, die Wanderschuhe stante pede an den Nagel zu hängen. Es gibt nämlich auch noch andere Untersuchungen. Nach einer schweizerischen Studie kommt zum Beispiel auf stolze 7143 Wanderstunden gerade mal ein Unfall. Nur Schwimmen ist unter den gängigen Freizeitsportarten noch sicherer. Na also.
9 Saumagen-Carpaccio und Riesling
Kulinarisches Wandern in der Pfalz
Wer einmal ein bisschen im Internet stöbert, merkt rasch: »Genusswandern« liegt voll im Trend. Zahlreiche Fremdenverkehrsvereine von der Nordsee bis zu den Alpen werben mit besonders schönen Genusswanderungen in ihrer Region. Reiseveranstalter bieten einer zahlungskräftigen Klientel Genusswanderreisen in der ganzen Welt an, und auch Fachliteratur gibt es reichlich. Sogar einer der bekanntesten Bergsteiger der Welt, Hans Kammerlander, also beileibe kein Weichei, war sich nicht zu schade, ein Buch zum Thema zu veröffentlichen: »Genusswandern in Südtirol: Die schönsten Erlebniswanderungen – empfohlen von den Südtiroler Wanderhotels«. Kammerlander war übrigens der erste Mensch, der den Mount Everest auf Skiern heruntergefahren ist.
Aber was versteht man eigentlich unter »Genusswandern«? Wo genau liegt der »Genuss«, und können normale Wanderer nicht genießen?
Auf der Internetseite eines Reiseveranstalters für Ge nusswanderungen wird das Konzept des Genusswanderns wie folgt erklärt: »Der Genuss als bewusstes Vergnügen, Behagen, beglückendes Erleben soll (beim Genusswandern) eine besondere Rolle spielen. Dieser Genuss kann sich dabei in ganz unterschiedlichen Dingen darstellen: der Ausblick vom Gipfel, die Blumenwiese am
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