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Die Wanderhure

Titel: Die Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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um die wie Marktweiber keifenden Männer zu besänftigen und zu verhindern, dass sie sich wegen der Frauen in die Haare gerieten. Nina und Helma kamen in die Obhut eines Mannes, den Marie vom Sehen her kannte. Sie wusste seinen Namen nicht, denn er hatte nicht zu den Leuten gehört, die in ihrem Elternhaus aus und ein gingen, aber er hatte ihren Vater bei einigen Begegnungen auf der Straße beinahe kriecherisch gegrüßt.
    Der Hurenwirt, der schon Nina und Helma erworben hatte, griff nach Maries Arm, als wolle er sie ebenfalls für sich reservieren, und schnauzte Jobst an. »Und was ist mit den letzten drei Weibern?«
    Der Hurenwerber verzog säuerlich das Gesicht. »Die wollen auf eigene Rechnung arbeiten.«
    Tatsächlich waren Hiltrud, Kordula und Marie als Letzte übrig geblieben. Marie schüttelte den Griff des Wirts unwillig ab und tippte den Werber auf die Schulter. Jobsts Miene verriet ihr, dass er immer noch überlegte, wie er ihnen den Einzug in ein Bordellschmackhaft machen konnte, um neben dem Kopfgeld, das ihm der Rat zahlte, auch noch eine Ablöse von den Hurenwirten zu kassieren. Marie hatte schon mehrmals von früheren Bordellhuren gehört, dass die Mädchen für diese Ablöse geradezustehen hatten und so lange bei ihrem Bordellvater bleiben mussten, bis sie ihm dieses Geld und die Kosten für das Bett und andere Dinge zurückgezahlt hatten.
    »Was ist mit unserem Häuschen?«, fragte sie Jobst nun schon das zweite Mal.
    »Da werdet ihr Pech haben«, rief Helmas und Ninas Hurenwirt. »Hier in Konstanz gibt es nicht einmal mehr genug Platz, um eine Katze unterzubringen, geschweige denn drei Huren.«
    Kordula stemmte die Arme in die Hüften und sah Jobst drohend an. »Du wirst uns das Haus besorgen müssen. Schließlich hast du schon das Maklergeld und die Miete für drei Monate im Voraus kassiert.«
    »Der Kerl hat euch betrogen, Mädchen. Lasst euch die Summe zurückzahlen und kommt mit mir. Ich …« Der Hurenwirt redete auf Kordula und Hiltrud ein wie auf kranke Kühe, aber die beiden beachteten ihn nicht, sondern sahen Marie, die den größten Teil des Geldes aufgebracht hatte, fragend an.
    Marie legte Jobst die Hand auf die Schulter. »Das Häuschen, das du uns vermietet hast, liegt doch bei St. Peter am Ziegelgraben, nicht wahr?«
    Jobst nickte unglücklich. »Ja, aber ich weiß nicht, ob es noch frei ist.«
    »Dann wirst du die Leute, die sich dort eingenistet haben, auf die Gasse setzen«, antwortete sie mit einem Lächeln, das nichts Gutes versprach.
    Hiltrud packte ihn bei der anderen Schulter. »Und tu es gleich, sonst bekommst du Probleme.«
    Zu Maries Verwunderung sprang der Edelmann mit dem hängenden Augenlid ihnen bei. »Wenn du es den Frauen versprochenund Geld dafür genommen hast, musst du ihnen das Haus übergeben.«
    Marie seufzte leise. Sie würde wohl doch mit diesem Mann schlafen müssen, ganz gleich, was er zahlte. Als sich auch Madeleine zu ihren Gunsten einmischte, zog Jobst den Kopf ein und gab nach.
    »Also gut! Kommt in Gottes Namen mit.« Er wandte sich brummig um und lief los. Die drei Huren, Madeleine und der Edelmann folgten ihm auf dem Fuß.
    Als sie an der Predigerbrücke vorbeikamen, die zum Inselkloster hinüberführte, krampfte Maries Magen sich zusammen. Dort drüben hatte sie vor fünf Jahren vor ihrem Richter gestanden und fassungslos zugehört, wie ihr Bräutigam sie anklagte. Für einen Augenblick überlegte sie, ob sie nicht doch einen Meuchelmörder für Ruppert anheuern sollte. Dann brauchte sie selbst nicht in Erscheinung zu treten und konnte die Stadt ebenso unauffällig verlassen, wie sie sie betreten hatte. Allerdings wären dann die Mühe und die Gefahr, die sie auf sich genommen hatte, um an die Urkunden und Jodokus’ Aufzeichnungen zu kommen, umsonst gewesen.
    Da sie sich nun dem gemieteten Häuschen näherten, verschob sie ihre Entscheidung, auf welchem Weg sie Ruppert zu Fall bringen wollte, auf später.
    Das Gebäude war nicht größer als eine Bauernkate, besaß aber ein Fenster im Giebel, das auf ein bewohnbares Dachgeschoss schließen ließ. Obwohl es ebenso wie die in gleicher Art errichteten Nachbarhäuser erst in den letzten fünf Jahren erbaut worden sein konnte, wirkte es ärmlich und heruntergekommen. Seine Fenster waren so klein, dass man kaum den Kopf hinausstrecken konnte, und mit schon löchrig gewordenen Häuten aus Schweinsblasen verschlossen. Das riedgedeckte Dach wirkte noch dicht und die Tür stabil genug, um eine gewisse

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