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Die Wanderhure

Titel: Die Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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beeilen, und überlegte, ob er den Toten zur Seite räumen sollte, damit die Treppe frei wurde. Dann dachte er daran, dass der Vogt gewiss sehen wollte, wo der Junker zu Tode gekommen war, und ließ ihn liegen.
    Die Sonne stieg schon über den Horizont, als Wilmar mit einem Stellvertreter des königlichen Vogtes zurückkehrte. Der Mann machte einen Bückling, um nicht mit dem behelmten Kopf gegen den Türbalken zu stoßen, und kam auf Meister Mombert zu.
    »Was faselt der Bursche da von einem Mord?«
    »Der Tote liegt hier.« Mombert trat beiseite und zeigte auf Junker Philipp.
    Der Mann sah dem Toten ins Gesicht. »Potz Teufel, das ist ja tatsächlich der junge Steinzeller. Meister Mombert, das ist keine gute Sache. Weißt du, wie es passiert ist?«
    Mombert schüttelte ratlos den Kopf. »Ich kann es mir nur so vorstellen, dass Junker Philipp mit jemand in Streit geriet und von diesem niedergestochen wurde. Er wollte wohl noch in seine Kammer hoch, brach aber hier an der Treppe zusammen.«
    Während der Böttcher seine Vermutungen äußerte, beugte der Beamte sich nieder und untersuchte den Junker. »Mit diesem Stich wäre der Mann keine drei Schritte weit gekommen. Das Messer sitzt genau im Herzen. Er muss hier an dieser Stelle erstochen worden sein.«
    »Unmöglich«, rief Meister Mombert aus. »Mein Weib und ich hätten gehört, wenn es auf dem Flur zum Kampf gekommen wäre. Außerdem hätte der Mörder die Tür nicht von innen verriegeln können.«
    »Es sei denn, er blieb im Haus«, erklärte der Vogt düster.
    Mombert schlug mit der Hand ärgerlich durch die Luft. »Das ist doch lächerlich. Weder meine Lehrlinge noch mein Geselle wären in der Lage dazu gewesen, mit dem bärenstarken Mann fertig zu werden. Und sein eigener Knecht hat ihn gewiss nicht umgebracht.«
    »Das behaupte ich auch nicht.« Der Vogt drehte sich zu Mombert um und musterte ihn durchdringend. »Du musst zugeben, dass die Sache recht eigenartig ist. Hier liegt ein Toter, und er kann nur von jemand ermordet worden sein, der sich heute Morgen im Haus aufhielt, da die Tür verschlossen war.«
    »Das hieße ja, der Mörder wäre noch hier.« Mombert drehte sich um und wollte seiner Frau und seiner Tochter zurufen, sich in Sicherheit zu bringen. Da öffnete sich die Tür des Verschlags, in dem sein ältester Lehrling schlief, und Melcher trat heraus. Er gähnte ausgiebig, entdeckte dann den Vogt und kam neugierig näher.
    »Was ist hier …«, begann er und zeigte dann auf den Toten.
    »Aber Meister Mombert, ist das nicht Euer Messer?«
    Mombert Flühi starrte die in der Wunde steckende Waffe mit aufgerissenen Augen an. Es war tatsächlich seine eigene Klinge mit dem silbergefassten Hirschhorngriff.
    »Stimmt das?«, fragte der Vogt streng.
    Mombert hob in einer hilflosen Geste die Hände. »Ja, das ist das Messer, das ich zum Essen benutze. Es steckt normalerweise im Bord neben der Küchentür bei den anderen Messern und Löffeln. Der Mörder muss es von dort geholt und für die Tat benutzt haben.«
    Der Vogt schien den nächstliegenden Schluss gezogen zu haben, denn er richtete sich auf und blickte höhnisch auf Mombert herab. »Das ist genauso unwahrscheinlich wie dein Geschwätz, der Junker könne auf der Straße erstochen worden sein und sich bis hierher geschleppt haben, obwohl auf dem ganzen Weg kein einziger Blutstropfen zu sehen ist. Dabei hat er hier wie ein Schwein geblutet. Ach ja, ich vergaß, er soll ja, bevor er starb, auch noch fein säuberlich die Tür zugesperrt haben.«
    Mombert fuhr erschrocken herum. »Ihr wollt doch nicht etwa behaupten, ich hätte Philipp von Steinzell erstochen?«
    Der Vogt verschränkte die Arme vor der Brust und fragte: »Dasliegt doch wohl auf der Hand, nicht wahr? Mir ist zu Ohren gekommen, dass du den Junker beschimpft und bedroht hast.«
    »Ich habe ihm das eine oder andere an den Kopf geworfen, weil er meine Hedwig nicht in Ruhe lassen wollte«, gab Mombert gequält zu.
    Der Vogt deutete auf das Messer in der Brust des Toten. »Gestern Abend ist es dann nicht mehr bei Drohungen geblieben.«
    »Bei Gott, ich war es nicht. Ich schwöre es bei allen Heiligen.«
    Mombert wich entsetzt zurück und klammerte sich an seine Frau, die dem Gespräch mit wachsender Erregung gefolgt war.
    »Das ist nicht wahr«, schrie sie den Vogt an. »Mein Mann lag die ganze Nacht neben mir.«
    »Dabei ist er kein einziges Mal aufgestanden, um zum Abtritt zu gehen, und du hast die ganze Nacht über kein Auge zugemacht, um

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