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Die Wanderhure

Titel: Die Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Entschädigung für die Beleidigung zu, die ich durch Euch und Eure Tochter erlitten habe, und natürlichauch für den Verlust des künftigen Erbes. Mäßigt also Eure Stimme, denn jetzt seid Ihr bei mir zu Gast.«
    Während Ruppert sich so gelassen gab, als rede er über das Wetter, giftete Utz den Hausherrn an.
    »Jetzt bist du dort gelandet, wo deine Tochter bereits ist, Matthis Schärer, nämlich in der Gosse.«
    In diesem Moment begriff Meister Matthis das ganze Ausmaß der Verschwörung, der er und Marie zum Opfer gefallen waren. Jetzt, wo es zu spät war, wurde ihm klar, dass seine Marie niemals ein unziemliches Verhältnis zu Linhard, Utz oder irgendeinem anderen Mann unterhalten hatte.
    Das Elend schlug wie eine feurige Woge über ihm zusammen und schien seinen Atem abzuschnüren und seinen Kopf zu verbrennen. Man hatte seine Tochter unschuldig in den Kerker geworfen und brutal geschändet, um sie dem Gericht als Hure präsentieren zu können. Matthis erinnerte sich an ihre Schmerzensschreie bei der Auspeitschung und erstickte fast an seinem Hass auf den Mann, der ihm das angetan hatte und ihm nun mit einem überheblichen Lächeln einen Wisch unter die Nase hielt, welcher ihn um seinen gesamten Besitz brachte. Wie es aussah, hatte Magister Ruppertus Splendidus das Ganze in einer so teuflischen Perfektion geplant, dass er, Matthis Schärer, nicht einmal mehr in der Lage war, seinem einzigen Kind ein Stück Brot zuzustecken, geschweige denn, ihm eine Zukunft zu bieten.
    »Jetzt verstehe ich. Du wolltest mich von Anfang an ins Unglück stürzen. Deinetwegen ist meine Tochter nun ausgestoßen und heimatlos, vielleicht sogar schon tot.«
    Ruppert lachte. »Gib dir selbst die Schuld. Du bist auf meinen Antrag geflogen wie eine Biene auf den Honig und hast dich in der ganzen Stadt stolz gebrüstet, was für einen großartigen Eidam du gewonnen hättest. Hast du wirklich geglaubt, ich würde mich zu der Tochter eines lächerlichen Emporkömmlings herablassen?«
    Er konnte nicht weitersprechen, denn Matthis stürzte sich auf ihn, umklammerte seinen Hals und drückte mit aller Kraft zu. Gegen die entfesselte Wut des schwer gebauten Mannes hatte der Magister keine Chance. Rupperts Gesicht lief bereits dunkel an, als Utz ihm zu Hilfe eilte. Der Fuhrmann schlug beide Fäuste in Matthis’ Gesicht, ohne den Kaufmann jedoch bremsen zu können. Schließlich packte er dessen rechte Hand und riss sie mit einem heftigen Ruck von Rupperts Hals.
    Matthis Schärer wollte den Fuhrmann beiseite schieben, doch da legte sich ein glühender Ring um seinen Kopf.
    Utz nützte den Vorteil und schlug mehrfach hart zu. Meister Matthis starrte ihn mit blutunterlaufenen Augen an und versuchte, etwas zu sagen, doch seine Stimme gehorchte ihm nicht mehr. Plötzlich kippte er um wie ein Sack Korn und blieb leblos liegen.
    Utz trat ihm mehrmals in den Leib. »Gott sei Dank! Den hat’s erwischt.«
    Während Linhard seinen Meister mit offenem Mund und schreckgeweiteten Augen anstarrte, massierte Ruppert sich den Hals und giftete Utz an. »Beinahe hätte er mich umgebracht. Konntest du nicht ein wenig schneller eingreifen, du Tölpel?«
    »Schneller ging’s nicht«, antwortete der Fuhrmann achselzuckend. Dann stieß er Matthis mit der Stiefelspitze an. »Was machen wir mit dem?«
    Magister Ruppertus sah angewidert auf den röchelnden Mann herab und deutete zur Tür. »Wirf den Kerl auf die Straße.«
    Während der Fuhrmann sich bückte, um Schärer zu packen, wiegte Linhard zweifelnd den Kopf. »Ich weiß nicht, ob das klug ist, Herr Magister. Wenn die Nachbarn ihn so finden und erfahren, dass das Haus nun Euch gehört, so wird sich die ganze Stadt das Maul zerreißen, und das wäre nicht gut für Euren Ruf. Denkt daran, er hat noch Verwandte hier, die Euch anklagen würden. Ihr erinnert Euch doch an Mombert Flühi?«
    Der Magister nickte. »Du hast Recht, Linhard. Schafft ihn in einen Schuppen. Eine Magd kann später schauen, ob der Kerl noch lebt.« Er berichtigte sich jedoch sofort. »Nein, keine Magd! Utz, du kümmerst dich um ihn. Versorge ihn, solange es nötig ist, aber pass auf, dass er uns nicht davonläuft. Niemand darf erfahren, was mit Matthis Schärer passiert ist. Wenn jemand nach ihm fragt, so sagt, er habe die Stadt verlassen, um seiner Tochter zu folgen.«
    Matthis Schärer lebte noch drei Tage. Dann wurde er, der vor kurzem noch einer der reichsten Bürger der Stadt Konstanz gewesen war, heimlich in einem Armengrab

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