Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)
bestätigte Arigund.
»Und man sagt, sie sei die Tochter eines reichen Kaufmanns.«
»Stimmt«, bekräftigte sie auch diese Angabe.
»Das ist gut, sehr gut. Aber wie können wir an das Gold kommen?«
»Ich hab’s dir schon gesagt: Mein Leben wäre meinem Vater sicher eine stolze Summe wert.«
»Das glaub ich wohl. Ich bin nicht so dumm, wie du annehmen magst. Warum hasst der Truchsess dich so? Ich meine, er muss doch einen Grund haben …«
Arigund zögerte. Alles mussten die beiden nun wirklich nicht wissen »Ich bin ihm im Weg, und er ist ein – wie sagtest du noch? –, ein Mistkerl.«
»Eine andere also«, stellte Vaclav fest und erntete für diese messerscharfe Schlussfolgerung einen anerkennenden Blick von Friedl. Mittlerweile schien Vaclav dem Truchsess so ziemlich alles zuzutrauen. Erstaunlich, wie schnell er umschwenkte.
»Er will dich aus dem Weg haben für dieses Weib. Will er sie heiraten?«
Arigund sah ihn lediglich verwirrt an, aber Vaclav nahm ihren Blick als Zustimmung auf.
»Natürlich will er das. Warum sonst sollten wir dir die Kehle durchschneiden. Jetzt aber fehlt deine Leiche. Der Truchsess wird nicht von uns lassen, bis er sicher sein kann, dass du seine Pläne nicht mehr durchkreuzen kannst. Am besten, wir geben ihm, was er will, und hauen ab.«
Friedl nickte zustimmend.
»Dann müsstet ihr allerdings damit rechnen, dass mein Vater ein Kopfgeld auf euch aussetzt, und dessen Arm reicht weit, viel weiter als der des Truchsess.«
»Ein Kaufmann, pah!«, Vaclav spuckte auf den Boden.
»Ein Patrizier, der sowohl beim Herzog von Bayern als auch im böhmischen Königshaus ein und aus geht.« Arigund versuchte ihre Stimme überzeugend klingen zu lassen. Der Blick des Räubers wurde unsicher.
»Bringt mich nach Prag! Geht zu der Niederlassung unseres Handelshauses! Sie wird von meinem Onkel geführt. Er wird mich erkennen und auslösen. Mit dem Geld könntet ihr im Böhmischen ein neues Leben anfangen. König Ottokar wirbt überall Leute an, die als freie Männer den Osten besiedeln sollen. Das wäre doch etwas für euch. Ihr müsstet nicht länger in einer Höhle hausen, ständig die drohende Schlinge über dem Kopf, und Wirtho könnte euch nichts mehr anhaben.«
Friedls Augen begannen zu leuchten, aber Vaclav schien nur mäßig überzeugt.
»So eine lange Reise«, meinte er nachdenklich, »da kann viel passieren.«
»Es ist ein Risiko«, bestätigte Arigund, »aber der Preis ist es wert. Mein Vater würde mein Gewicht in Gold aufwiegen.« Die junge Frau hoffte inständig, sie würde sich in dieser Hinsicht nicht täuschen. Sie brauchte die beiden Männer, um sie nach Prag zu bringen. Allein würde sie das als Frau niemals schaffen. Deshalb war der Schutz von Gesindel allemal besser als gar keiner. Und vielleicht bot sich unterwegs die Gelegenheit zur Flucht. Sie könnte sich einem Händler anschließen und in seinem Schutz in die böhmische Hauptstadt gelangen.
»Dann sollten wir abhauen, bevor sie uns aufstöbern«, stieß Vaclav schließlich widerwillig hervor. Damit war es beschlossene Sache. Friedl warf Arigund ein Bündel hin.
»Ddd … da«, stotterte er. Stumm war er also nicht. Er hatte lediglich einen Sprachfehler.
»Zieh das an«, ergänzte Vaclav. »In diesem Büßerhemd kannst du dich draußen nicht blicken lassen.«
Suchend sah sich Arigund nach einem Ort um, an dem sie sich unbeobachtet hätte umkleiden können, doch der war nirgends zu entdecken. Vaclav beobachtete sie mit spöttischem Blick.
»Zupf dich!«, bellte er Friedl an. Der Junge huschte hastig aus der Höhle. Vaclav aber blieb, wo er war.
»Was ist?«, fragte er mit spöttischem Unterton.
»Dreh dich um«, forderte Arigund.
»Ich denk gar nicht dran. Jeder Kaufmann nimmt seine Ware in Augenschein. Glaubst du, ich hätte nicht dieselben Rechte.«
»Ich bin keine Ware und du kein Kaufmann!«, fauchte Arigund.
Mit zwei Schritten war er bei ihr, als würde seine Verletzung überhaupt nicht existieren. Arigund griff nach ihrem Messer und hob es drohend. Vollkommen unbeeindruckt, griff Vaclav nach ihrem Handgelenk. Ein geschickter Dreh, und die Klinge fiel zu Boden. Im nächsten Moment packte er Arigund an der Kehle. Sie spuckte ihm ins Gesicht. Doch auch das half ihr nichts. Ihr stockte der Atem, als sie fühlte, wie eine Schneide unter ihr Hemd fuhr. Ein reißendes Geräusch, und der grobe Leinenstoff war durchtrennt. Dann stieß der Räuber die junge Frau von sich. Unbeholfen stürzte sie zu Boden.
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