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Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karolina Halbach
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König Ottokars von Böhmen verbringen zu können.
    »Hebt mich hoch, Heinrich!«, forderte das Küken mit befehlsgewohnter Stimme. »Ich muss sehen, zu welchem Antlitz diese wunderbare Stimme gehört.«
    Klein, wie er war, gab es für den Knaben keine Chance, einen Blick auf die Bühne zu werfen, da ihm die Leiber der Erwachsenen den Blick verstellten. Ungeduldig zerrte er an Heinrichs Wams, dass es aus den Nähten zu gehen drohte. Heinrich lachte. Der Junge trug das Herz am rechten Fleck. Er hatte allerdings auch ein ungestümes Wesen, wenn seinen Wünschen nicht augenblicklich entsprochen wurde. Dem Ritter schien es durchaus angebracht, ihm nicht sofort seinen Willen zu lassen.
    »Üb dich in Geduld, Jakob«, ermahnte Heinrich von Meißen. »Wenn du weiterhin wieherst wie ein ungestümes Fohlen, kann kein Mensch mehr etwas hören.«
    Einen Moment starrte der Junge seinen Begleiter mit offenem Mund an. Der Minnesänger nutzte die Gelegenheit, um Jakob weiter aufzuziehen.
    »Überhaupt gibt es da nichts zu sehen, was für einen Knaben bestimmt wäre. Eine Wandersängerin, wie du schon treffend festgestellt hast. Sie hat Augen wie Kastanien und schwingt mit geschürzten Röcken das Tanzbein. Nichts also, was dich interessieren könnte.«
    Der Mund des Jungen klappte wieder zu. Heinrich wollte den Knaben noch ein wenig aufziehen, als er plötzlich einen Ruck an seiner Geldkatze spürte. Der Ritter griff mit der Hand an seinen Gürtel und erwischte gerade noch den Lederbeutel und einen Daumen. Klirrend fielen die Prager Groschen zu Boden, die er beim Münzwechsler getauscht hatte.
    »Teufel noch mal!«, entfuhr es dem Adeligen. Gleichzeitig bog er den Finger nach hinten, bis es krachte. Der Dieb schrie auf, als das Gelenk aus der Pfanne sprang. Heinrich drehte sich um und blickte in die schmerzverzerrten Augen eines ausgezehrten Burschen.
    »Ein Taschendieb!«, fauchte der Ritter und packte mit der anderen Hand nach dem Kragen des dreisten Kerls. Doch da bemerkten die ersten Menschen das Geld auf dem Boden und fingen an, sich danach zu bücken. Flugs rafften gierige Finger an sich, wessen sie habhaft werden konnten.
    »Jakob, unsere Reisekasse!«, rief Heinrich.
    Der Kleine tat sein Bestes, wurde jedoch achtlos zur Seite geschubst. Fluchend ließ Heinrich den Dieb fahren und griff stattdessen nach seinem Schwert.
    »Niemand vergreift sich an meinem Geld!«, donnerte er. Die Menge wich zurück. Jakob stopfte die verbliebenen Münzen in seine eigenen Taschen, während der Ritter hilflos zusehen musste, wie der Dieb zwischen den Menschen verschwand.
    »Ich hab’s«, erklärte der Bub.
    »Dann lass uns gehen«, befahl sein Begleiter.
    »Aber die Sängerin …«, wandte der Junge ein.
    »Es ist zu gefährlich hier, jetzt, wo man gesehen hat, wie reich unsere Börse bestückt ist.«
    Heinrich warf einen kurzen Blick zurück auf die Bühne. »Sie hat ihre Vorstellung ohnehin beendet und sammelt die Münzen ein, die man ihr zugeworfen hat.«
    Energisch drängte der Ritter den Jungen in eine Seitengasse, während er sich immer wieder versicherte, dass ihnen keine weiteren Diebe folgten. Sein Schwert hatte das Gesindel offenbar erst einmal eingeschüchtert. Ungehindert erreichten sie eine der besseren Schenken, aus der es verlockend nach heißem Würzwein duftete. Die beiden traten ein. Der Raum war sauber, aber dunkel. In der Hoffnung, die Kälte aussperren zu können, hatte man die Fenster mit Brettern fest verschlossen. Ein gemütliches Feuer brannte im Kamin und verbreitete angenehme Wärme. Auf den Tischen aus hellem Buchenholz brannten Talglichter. Heinrich drängte Jakob zu einer Nische und ließ sich erleichtert auf der Bank nieder. Der Ritter sog den würzigen Geruch von Nelken ein, roch den Hauch von Zimt, eines besonders edlen Gewürzes aus den fernen Landen, und sah sich um. Sein Gesicht entspannte sich. Diese Schenke wurde nur von gut gekleideten Männern aufgesucht. Die meisten von ihnen waren Kaufleute auf dem Weg nach Prag oder einheimische Honoratioren. Der Ritter hatte die richtige Schenke ausgewählt. Hier würde man ihnen keinen Fusel vorsetzen. Heinrichs Kehle lechzte nach blutrotem Wein, der sanft durch die Kehle rann und einen leicht erdigen Geschmack auf der Zunge hinterließ. Seine Augen begannen zu leuchten. Er strich sich sein weizenfarbenes Haar aus der Stirn, glättete seinen Mantel aus fein gewebter Wolle und lockerte den Schwertgurt.
    Eine adrette junge Frau kam an ihren Platz. Der Ritter

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