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Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karolina Halbach
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Hoffentlich verreckte sie ihm nicht zuletzt. Das Fieber war noch weiter gestiegen, und bellender Husten quälte sie.
    »Du bleibst hier!«, herrschte Vaclav Friedl an. »Ich versuche die Gäule loszuwerden.«
    Der Taschendieb schien zufrieden mit der Aufteilung. Er ließ sich neben Arigund ins Stroh fallen. Auch er war erschöpft.

*
    Vaclav ließ sich einen Krug Bier vom Wirt geben und machte sich dann mit den Pferden im Schlepp Richtung Markt davon. Lange musste er nicht herumfragen. Schon nach kurzer Zeit fand sich ein Tuchhändler, der nur allzu gern bereit war, die Tiere für kleines Geld zu erwerben. Wer fragte schon nach der Herkunft, wenn man ein solches Schnäppchen machen konnte? Gut gelaunt beschloss Vaclav, noch einen Erkundungsgang in die Altstadt zu unternehmen. Er ließ sich von einem Ochsenkarren wieder über die Moldau bringen und betrat die Stadt durch das Tor, an dessen Nordseite sich das jüdische Viertel befand.
    Die Altstadt entsprach schon eher den Bildern aus seiner Kindheit, nur schienen die Häuser noch prächtiger geworden zu sein. Er ließ sich eine Weile treiben und landete am Rossmarkt, der nach den Hinterlassenschaften der Gäule stank. Die Essen der Schmiede glühten, vor ihren Handwerkerbuden wurden einige Pferde beschlagen. Von früher wusste Vaclav, dass die Fernhandelskaufleute am Fuß der Burg zu finden waren. Sie residierten in prächtigen Steinhäusern mit richtigen Fenstern aus Glas und einem eigenen Eingang für die Domestiken. Vaclav hatte keine Mühe, das Haus zu entdecken, in dem sich die Handelsniederlassung der DeCapellas befand,
    Mit prahlerisch in den Himmel aufragenden Giebeln stand es keine hundert Schritte von der Kirche entfernt. Hinter den Fenstern flackerten Kaminfeuer, Menschen in vornehmen Kleidern warfen ihre Schatten gegen die Glasfenster. Vaclav pfiff durch sein lückenhaftes Gebiss. Wenn Arigund tatsächlich zu denen da drin gehörte, so hatte er wahrhaftig einen Goldesel hierhergeschleppt. Gegen diese Pfeffersäcke war der Truchsess ein armer Schlucker. Im Geist verdoppelte Vaclav die Summe, die er fordern würde. Fröhlich pfeifend schlängelte er sich durch die Gassen, die sich immer mehr mit Betrunkenen und Nachtgeistern füllten, den Blick stets prüfend nach oben gerichtet, um den Ergüssen sich leerender Nachttöpfe rechtzeitig aus dem Weg gehen zu können. Vergnügt verließ er die Altstadt und kehrte in seine einfache Bleibe zurück. Dort erwartete ihn ein völlig aufgelöster Friedl. »Ich glaube, ss … sie stirbt«, jammerte der dürre Mann. »Sie redet nur noch wirres Zeug.«
    Unwirsch schüttelte Vaclav den Kopf. »Hier wird nicht gestorben«, murrte er, nicht halb so selbstsicher wie gewöhnlich. Arigund wirkte tatsächlich mehr tot als lebendig. Ihre Haut war von ungewöhnlicher Blässe. Ihr Atem rasselte, und ihre Lider flackerten unruhig. Sie wälzte sich fiebrig auf ihrem Lager hin und her.
    »Geh und frag bei der Köchin nach kaltem Wasser, sauberen Tücher und einem Krug Würzwein!«, wies Vaclav seinen Gefährten an. »Danach besorg noch zwei warme Decken!«
    Friedl nickte, froh, die Verantwortung nicht mehr alleine tragen zu müssen, und trollte sich. Unruhig wanderte Vaclav im Zimmer auf und ab. Was, wenn ihm sein Goldeselchen jetzt verreckte, ob dann der Truchsess vielleicht wenigstens noch etwas für ihren Kopf löhnen würde? Doch Arigund hatte ihn gewarnt. Das war ein Mann, dem man besser aus dem Weg ging. Ob dieser Heinrich von Meißen einer von seinen Leuten war?

*
    Heinrich war hingerissen, als sie die Judithabrücke überquerten und die Stadt vor ihnen lag. Prag war genau so, wie er es sich vorgestellt hatte: bunt, lebendig und mit steinernen Prachtbauten, die von der Macht des Königs und dem unvorstellbaren Reichtum der Bürgerschaft zeugten. Niemand schien hier Hunger leiden zu müssen. Selbst die Bettler wirkten gut genährt. Es war Markt in der Gallusstadt und die Straßen verstopft mit Menschen, die in ihre Wohnstätten zurückkehrten. Pavels Wappen schien hoch angesehen, denn selbst die Träger der Sänften wichen rasch zur Seite und drängten die Fußgänger – zumeist Mägde mit randvollen Körben – auf die steinernen Stufen der Häuser. Pavel lächelte den scheinbar blickdichten Vorhängen der Sänften zu. Er wurde von manch einem sehnsüchtigen Paar dunkler Augen belohnt oder sogar dem zaghaften Winken einer zarten, mit Goldschmuck verzierten Frauenhand.
    Der junge Adelige beugte sich zu Heinrich herüber und

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