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Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karolina Halbach
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Flocken loszuwerden. Ihm hatte die Rast gutgetan. Das Tier wirkte ausgeruht und voller Tatendrang. Energisch kämpfte es sich durch den makellosen Schneeteppich, der ihm mittlerweile teilweise bis zum Sprunggelenk reichte. Zuweilen wurden die Schneewehen so tief, dass sein Reiter absteigen und zu Fuß gehen musste. Sie waren gut zwei Stunden unterwegs, als von rechts eine Spur auf die Straße zulief: Drei Pferde hatten sich hier, geführt von ihren Reitern, durch den Schnee gekämpft. Hoffnung keimte in Heinrich auf. Nun war er klar im Vorteil. Während die drei durch den tiefen Schnee stapfen mussten, brauchte er lediglich den Spuren zu folgen. Sein Pferd würde schneller vorwärtskommen.
    Trotzdem mahnte er sich, vorsichtig zu sein. Wie leicht konnte er in einen Hinterhalt geraten. Der Weg krümmte sich und führte sanft einen Berg hinauf. Als Heinrich oben angekommen war, bot sich ihm ein atemberaubender Anblick. Vor ihm lag ein breites Tal, in dem die Moldau sich als goldbraunes Band durch eine stille Winterlandschaft schlängelte. In einer Flussschleife konnte man die Dächer Prags bereits erahnen. Selbst die Umrisse der beiden Burgen glaubte Heinrich erkennen zu können. Sein Herz schlug schneller. Wie sehr hatte er diesen Anblick herbeigesehnt, überzeugt, am Königshaus sein Glück machen zu können. Jetzt aber war ihm nur bang, Arigunds Spur könnte sich in dem Häusermeer endgültig verlieren.
    Erneut trieb er sein Pferd an. Am Fuße des Bergs lag ein Dorf, dessen Dächer mit Schnee bedeckt waren. Aus den Kaminen kräuselte schwarzer Rauch und versprach warme Stuben. Ein paar dunkelbraune Schweine wälzten sich im Schnee und quiekten dabei so vergnügt, dass man es bis auf den Bergpfad hörte, untermalt von quirligen Hähnen, die sich ein Gesangsduell lieferten. Heinrich hielt auf die Ortschaft zu. Ihre Bewohner, meist Bauern oder Viehhirten, betrachteten ihn misstrauisch. Zottige Hunde schossen laut kläffend auf seinen Hengst zu und schnappten nach dessen Fesseln. Ein grauhaariger Mann rief ihnen ein harsches Kommando zu, woraufhin sie mit eingeklemmtem Schwanz abzogen. Heinrich hielt auf ihn zu und grüßte freundlich. Auch der Alte zog seinen Hut.
    »Gevatter, ich bin auf der Suche nach meinem Gefährten, der mit zwei Burschen vorausgeritten ist. Ein junger Kerl mit dunklem Haar, dem noch nicht einmal ein Bart sprießt.«
    Lange wiegte der Mann lediglich den Kopf, als müsste er über den Sinn der Frage nachdenken. Vielleicht verstand er auch die Sprache nicht? Dann jedoch antwortete er in gebrochenem Deutsch.
    »Sind hier durchgekommen. Drei Männer mit drei erschöpften Pferden.«
    »Ist das lange her?«
    »Nicht lange her. Baten um Wasser und Körner für die Pferde. Haben gut dafür bezahlt. Meine Frau hat gegeben Kräutertee an jungen Mann. Er krank.«
    Heinrich zuckte zusammen. »Krank sagst du?«
    »Husten und Fieber. Aber wollte nicht rasten. Großer Mann drängte.«
    »Wohin sind sie geritten?«
    Der knochige Finger des Mannes hob sich und deutete zum anderen Ende des Dorfes. Heinrich nickte.
    »Wie weit ist es noch bis Prag?«, fragte er.
    »Nicht weit. Mit Pferd wie deinem heute Abend kann man da sein. Aber viele Menschen unterwegs wegen Markt.«
    Der Ritter drückte dem Alten eine kleinere Münze in die Hand und trabte über die rutschige Straße. Hühner stoben auseinander, und die Hunde begannen erneut zu geifern. Es wurde Zeit, die Flüchtigen endlich einzuholen. Heinrich verschwendete keinen Gedanken mehr daran, Spuren zu suchen. Das wurde ohnehin immer schwieriger. Je näher sie der großen Stadt kamen, umso belebter wurde die Straße.
    Der Weg führte nun an den Ufern der Moldau entlang. Der Wald war vor dem Holzbedürfnis der Menschen zurückgewichen. Nur noch wertloses Wasserholz säumte die Ufer der Moldau. Heinrich schlängelte sein Pferd an Hand- und Ochsenkarren vorbei, viele von ihnen gehörten Köhlern mit rabenschwarzen Gesichtern und Händen, die Holz oder Kohle in die Stadt schafften, um sie dort für teures Geld zu verkaufen. Immer mehr Gespanne, Karren und Menschen befanden sich auf der engen Straße. Heinrich verfluchte seine Mitreisenden, die sich im Schneckentempo fortzubewegen schienen.
    Endlich glaubte er, die drei zu erspähen. Sie versuchten gerade, sich an den Karren zweier streitender Händler vorbeizudrängen. Vaclav bemühte sich angestrengt, sein Pferd auf den Straßenrand zu dirigieren. Hinter ihm ritt Arigund, die Nachhut bildete der dürre Taschendieb. Als

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