Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)
dem Sturz recht mitgenommen. Der Domestik nahm auch Wams und Hemd an sich, zog sich jedoch zurück, als zwei Knechte eintraten, die einen hölzernen Bottich brachten und mit warmem Wasser füllten. Nachdem auch sie den Raum verlassen hatten, zog sich Heinrich erleichtert bis aufs Hemd aus und ließ sich seufzend ins Wasser gleiten. Genüsslich schloss er die Augen. Nach einem solchen Gewaltritt ging einfach nichts über ein heißes Bad. Seine Gedanken flogen davon und landeten bei Arigund. Es wäre wunderbar, wenn sie jetzt bei ihm sein und ihm den Nacken kneten könnte. Doch dann riss ihn die Erinnerung an Vaclav schlagartig aus seinen Tagträumereien, und die Sorgen kehrten zurück. Hoffentlich ging es dem Mädchen gut. Sicherlich, es war kaum zu erwarten, dass Vaclav ihr das Leben nahm. Schließlich war sie eine wertvolle Geisel. Vermutlich würde er sich so schnell wie möglich mit ihrem Onkel in Verbindung setzen und sehen, ob sich Kapital aus ihr schlagen ließ. Aber wehe, wenn sich das als Trugschluss herausstellte! Während dem Sänger diese Gedanken durch den Kopf gingen, formten sich weitere Strophen seiner neuen Ballade und vereinten sich mit einer Melodie. Sie sang das Lob einer jungen Frau mit dem Herzen einer Löwin und der Tugend einer Taube, die in der Hand grausamer Räuber ihre Errettung durch die Hand eines mutigen Ritters erwartete. Plötzlich fühlte Heinrich einen Lufthauch in seinem Nacken. Instinktiv griff er nach seinem Messer, das er gewohnheitsmäßig neben sich gelegt hatte, und fuhr herum. Erschrocken streckte die blutjunge Bademagd die Hände nach vorne und ließ die frischen Sachen, die sie in den Armen gehalten hatte, fallen.
»Verzeiht, Herr!«, stammelte sie. »Ich wollte Euch nicht erschrecken.«
Die Melodie löste sich auf. Der Text war dahin.
»Dann klopfe beim nächsten Mal an, oder mach irgendwie auf dich aufmerksam«, meinte der Ritter unwirsch. Die Weise, die eben noch fast greifbar vor seinem geistigen Auge gestanden hatte, schien verloren. Er sehnte sich jetzt nur noch nach Arigund. Sie war seine Muse. Sie beflügelte seine Poesie. Er musste sie wiederfinden. Unterdessen fuhrwerkte das Mädchen vor ihm auf dem Boden herum und klaubte die Kleidungsstücke auf, die sie vor Schreck hatte fallen lassen. Heinrich stieß die Luft aus seinen Nasenflügeln wie ein Drache einen Feuerstrahl.
»Verzeiht«, stammelte das Mädchen erneut. »Vielleicht darf ich Euch ein wenig den Rücken bürsten?«
Heinrich nickte. Möglicherweise würde ihn das wieder entspannen, und die Strophen flögen zu ihm zurück, oder er bekäme wenigstens eine brauchbare Idee, wie er Arigund sicher retten konnte, ohne sich auf das Wohlwollen des Handelsherrn verlassen zu müssen. Aber das Gegenteil war der Fall. Immer düsterere Gedanken befielen den Ritter, als die Hände der Magd seine verspannte Muskulatur kneteten. Schon die bloße Vorstellung, was Vaclav mit Arigund tun würde, wenn er sein Geld nicht bekäme, jagte ihm Schauer über den Rücken.
»Kennst du die Häuser der italienischen Fernhandelskaufleute?«, fragte er unvermittelt das Mädchen.
»Das tut ein jeder, Herr«, antwortete es.
»Gibt es eine Handelsniederlassung der DeCapellas in Prag?«, wollte Heinrich wissen.
»Oh ja, in der Tat. Sie befindet sich gar nicht weit von hier. Ihr seid daran vorbeigekommen, und sie ist euch gewiss aufgefallen. Sie besitzt den höchsten Hausturm.«
»So ist die Familie wohlhabend?«
»Das kann man wohl sagen, Herr.«
»Wer vertritt die Angelegenheiten des Hauses?«
»Das ist der Herr Sergio DeCapella, ein Bruder des Handelsherrn. Er wohnt dort schon, seit ich denken kann.«
Heinrich strich sich über den Bart. Kratzige Stoppeln staken in alle Richtungen. Bevor er dem König unter die Augen trat, musste er dringend den Bader kommen lassen. Der Ritter richtete sich in der Wanne auf.
»Es ist gut, Mädchen«, sagte er unvermittelt. »Reich mir ein Laken, und dann schick mir einen Schreiber und den Bader.« Knicksend zog sich die Kleine zurück. Heinrich trocknete sich ab und schlüpfte in die frischen Sachen. Sie dufteten nach Kräutern und waren aus edlen Stoffen, die sich sehr angenehm trugen. Gerade hatte er seinen Gürtel geschlossen, als ein rundlicher Priester eintrat, Pergament und Feder unter dem Arm.
»Ihr habt nach einem Schreibkundigen verlangt, mein Sohn?«
Heinrich kämpfte weiter mit dem Lederriemen und deutete zu einem Tischchen. »Gott zum Gruße«, meinte er freundlich. »Nehmt
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