Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)
viel des Lobes. Das pfeifen die Spatzen von den Dächern.«
»Und was erzählen sie noch so, diese allwissenden Vögelchen?«
»Dies und das, doch lasst uns lieber angenehmeren Themen zuwenden. Ich vermisse Eure Gattin, Herr Herzog.«
Boleslaw sah sich suchend um, schien sie aber ebenfalls nicht zu entdecken. »Seid unbesorgt, sie wird sich Euren Vortrag keinesfalls entgehen lassen. Jetzt entschuldigt mich. Unser König wünscht mich noch vor dem Mahl zu sprechen.«
Heinrich verbeugte sich elegant, und Arigund wäre beinahe in einen Knicks versunken, hätte ihr der Ritter nicht einen Stoß mit dem Ellbogen versetzt.
»Der Herzog ist ein Günstling des Königs«, raunte Heinrich ihr zu. »Wir sollten sehen, dass wir seine Frau ausfindig machen und angemessen begrüßen.«
»Woher wisst Ihr das alles?«, flüsterte Arigund.
»Mein lieber Tassilo, ich lebe davon, informiert zu sein. Um sich bei Hofe halten zu können, genügt es nicht, sein feines Stimmchen zu pflegen, man muss vor allem die richtigen Leute kennen.«
»Woher weiß ich, wer die ›richtigen‹ sind?«
»Augen und Ohren aufsperren«, riet Heinrich.
»Der Herzog?«
»Er gehört zu den wenigen, die sich unter Ottokars Wohlwollen sonnen können. Der König ist ein misstrauischer Mensch, und er verfolgt ehrgeizige Ziele.«
»Und die Königin?«
»Kunigunde ist eine Figur in seinem Spiel. Bis vor wenigen Jahren war Ottokar mit Margarete von Babenberg verheiratet, die ihm jedoch keine Kinder schenkte. Also jagte er sie aus dem Schloss. Was blieb ihm anderes übrig? Man munkelte bereits, es läge an seiner Manneskraft und nicht an ihrem Schoß. Kunigunde kam ihm nach der Schlacht bei Kressenbrunn gerade recht. Zudem ist sie jung und fruchtbar: Drei Kinder gebar sie ihm bereits, das erste ein Sohn. Leider verstarb er. Heinrich ließ der Kinderfrau dafür den Kopf abschlagen.«
»Hatte sie ihre Pflichten vernachlässigt?«
»Nein, sie trug keine Schuld an dem Unglück. Der Junge kränkelte vom ersten Tag an. Doch Väter sind eigenartig, wenn es um ihre Söhne geht.«
Heinrich spähte noch immer umher, konnte aber die Gesuchte nirgends entdecken, zudem strebten nun alle dem Speisesaal entgegen.
»Mäßigt Euch beim Essen«, riet Heinrich. »Mit vollem Bauch musiziert sich schlecht.«
Arigund nickte. »Und die anderen beiden Kinder?«, hakte sie nach.
»Beides Mädchen. Kunigunde habt Ihr ja gerade kennengelernt, ein allerliebstes Kind, intelligent und aufgeweckt. Agnes wurde kurz vor unserer Ankunft geboren. Sie scheint gesund und munter zu sein. Jedenfalls hört man ihr Protestgeschrei durch die ganze Burg. Es heißt, die Milch der Amme reiche nicht und man suche nach einer neuen.«
»Es können auch ganz einfach Blähungen sein, die das Kind quälen. Die alte Resl gab den Kindern in diesem Fall Tee aus Fenchelsamen.«
»Wenn Ihr es schafft, das Kind ruhigzustellen, klettert Ihr auf der Gunstleiter der Königin schneller nach oben, als Ihr Euch verbeugen könnt«, flüsterte Heinrich Arigund vertraulich ins Ohr. »Man sagt, sie verbrächte jede Nacht an der Wiege des Kindes, sehr zum Leidwesen des Königs. Der will natürlich, so schnell es geht, den nächsten Versuch in Sachen Thronfolger unternehmen. Oh, ich entdecke gerade einen alten Freund, Friedrich von Sonnenburg. Ich hatte gehört, dass er gestern eingetroffen ist. Ein ausgezeichneter Sänger. Lass uns hinübergehen.«
Heinrich wirkte ungewöhnlich aufgeregt. Er breitete die Arme weit aus und schritt auf einen lebhaften jungen Mann mit strohblonden Haaren zu, der in so schreienden Farben gekleidet war, dass Arigund bei seinem Anblick die Augen schmerzen wollten. Entweder besaß dieser Ritter überhaupt keinen Geschmack oder einen besonders extravaganten. Auch sein Benehmen entsprach keineswegs dem eines Ritters. Er gackerte wie ein Huhn und spreizte die Finger wie die Damen. Zu allem Überfluss gab er ulkige Kreischlaute von sich, als er Heinrich entdeckte. Mit trippelnden Schritten kam er dem Sänger entgegen und fiel ihm in die Arme.
»Wen sehen meine müden Augen?«, plapperte er. »Heinrich, welch Balsam für meine Seele.«
Friedrich tätschelte Heinrichs Rücken, als handelte es sich um eine Harfe. Dann entdeckte Friedrich Arigund und staunte.
»Wen hast du uns denn da mitgebracht, mein lieber Freund?« Friedrich trat einen Schritt vor und musterte »Tassilo« wohlwollend vom Scheitel bis zur Sohle.
»Tassilo dal Monte aus Venedig, mein Spielmann«, stellte Heinrich vor. »Er
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