Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)
schlägt die Laute besser als ich.«
Friedrich verbeugte sich viel zu ehrfürchtig und wedelte dabei affektiert mit den Armen. Alles an ihm erinnerte eher an eine Frau. Ob auch er ein Versteckspiel trieb?
»Tassilo, hm, der Name zergeht ja geradezu auf der Zunge, und was für ein angenehmer Anblick! Hat er denn auch eine Stimme, der Herr Tassilo?«
»Und ob er die hat, eine Stimme wie ein Seraphim.«
Friedrich hob tadelnd den Finger. »Gib Acht, Heinrich, denn dieser Venezianische Engel wird die Blicke der Damenwelt von dir ablenken. Sie werden ihn vergöttern und mit Reichtümern überschütten. Sieh dir nur diese Augen an und dieses fein geschnittene Profil. Zudem entdecke ich keinen Bartwuchs.«
Bevor Arigund es verhindern konnte, war Friedrich ihr bereits über die Wange gestrichen. »In der Tat, nicht ein einziger Stoppel. Wie sehr ich dich um diese Haut beneide, Tassilo!«
»Da gibt es nichts zu beneiden«, entgegnete Arigund mit fester Stimme. »Ganz im Gegenteil. Seid gewiss, Herr, ich würde gerne Euren Bartwuchs in Kauf nehmen, bekäme ich dafür Eure Männlichkeit.«
Friedrich stutzte, dann machte sich Bedauern auf seinem Gesicht breit. »Oh, Ihr seid ein Kastrat. Ich hörte davon, dass es jenseits der Alpen angeblich üblich sei, Knaben daran zu hindern, zum Manne zu reifen, damit sie ihre hellen Stimmen behalten, doch bin ich noch nie so jemandem begegnet. Dann ist es also wahr? Was für eine Verschwendung.«
Leutselig legte er seinen Arm um Arigund. Er brachte seine Lippen dicht an ihr Ohr und ließ seine Hand tiefer gleiten, bis sie leicht auf Arigunds Gesäß lag. Seine Stimme wisperte lockend: »Wenn Ihr Euch dennoch einmal nach Liebe sehnt, wunderschöner Troubar, dann lasst es mich wissen.«
Arigund schüttelte seinen Arm ab und starrte ihn lediglich abweisend an. Unruhig begann Friedrich an seiner Kleidung herumzuzupfen.
»Nun, das macht Euch für die Damenwelt wohl nur noch interessanter«, meinte er nun wieder laut. »Richtige Männer haben sie ja genug.«
»Friedrich, Ihr müsst bei Tische neben mir sitzen und berichten, wie es Euch ergangen ist, seit wir uns in Kelheim getrennt haben«, unterbrach Heinrich das Gespräch. Arigund atmete erleichtert auf. Sie wusste gar nicht, dass Männer derart direkt über solche Sachen sprachen. Zum ersten Mal war sie froh über ihre dunklere Hautfarbe. Es war wohl niemandem aufgefallen, dass ihr die Schamröte in den Kopf gestiegen war. Heinrich kehrte noch einmal zu ihr zurück und nickte zustimmend. »Gut gemacht, Tassilo. Friedrich ist ein herzensguter Mensch, aber ein ausgesprochenes Klatschmaul. Ich denke, wir haben nun dafür gesorgt, dass bald der gesamte Hof dein Schicksal kennt. So etwas wie im Gasthaus wird uns also nicht noch einmal passieren. Wir sehen uns nach dem Mahl. Deine Tischdame heißt Agnes und ist die Tochter des Kämmerers. Pass gut auf dich auf, Tassilo, und denk daran: schweigen und zuhören. Davon leben wir.«
»Und vom Lauteschlagen«, ergänzte Arigund lachend. Der Abend verging in gähnender Langeweile. Arigund hielt sich an Heinrichs Rat und erfuhr bald von dem jungen Mädchen, dass man im Lande gar nicht so glücklich über den König war. Er herrschte mit harter Hand und raffte an sich, was er bekommen konnte. Nur unter großen Opfern hatten die böhmischen Adeligen dem Herrscher zumindest ein unabhängiges Landgericht abgerungen. Endlich wähnten sich die Landesherren vor den zunehmenden Beschlagnahmungen ihrer Güter durch den König sicher. Zudem warb der König unaufhörlich deutsche Bauern aus dem Elbgebiet an. Er lockte sie mit dem Versprechen, sie könnten hier als Freie nach deutschem Recht leben. Der Adel klagte über die Unruhen, die dadurch unter ihren Hörigen entstanden waren. Arigund musste sofort an Annelies und Matthias denken. Freiheit! Hatte nicht auch ihre Zofe danach gestrebt? Mehr denn je sehnte sich Arigund nach einer vertrauten Seele.
Schließlich verabschiedete sie sich höflich von Agnes, die ihr mit sehnsüchtigen Blicken nachsah, und ging in den Raum, in dem man die Musikinstrumente aufbewahrte. Als sie an Heinrichs Seite in den Saal zurückkehrte, durchströmte sie die gewohnte Erregung. Sie liebte es, mit ihrer Musik die Menschen zu verzaubern. Viel zu schnell war Heinrichs Lied verklungen. Sie bekamen eine Menge Beifall. Ottokar nickte ihnen anerkennend zu. Gerade wollten sie sich von der Bühne zurückziehen, als Friedrich nach vorne trat und sich tief vor dem Herrscher verbeugte.
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