Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)
nicht mit dem kargen Leben auf Burg Brennberg. König Ottokar selbst war ein stattlicher Mann, der nach der neuen Mode gekleidet war und dessen Lippen und Kinn ein gepflegter Bart zierte. Erhaben schritt er durch den Raum, an seiner Seite eine junge Frau mit madonnenhaften Zügen, kaum älter als Arigund.
»Das ist die Königin, Kunigunde von Ungarn«, erklärte Heinrich, während er den Nacken beugte, »Tochter von König Béla, dem Arpaden, die Mutter der kleinen Kunigunde, die heute Geburtstag hat.«
Aus dem Augenwinkel beobachtete sie, wie das Paar einige wenige Günstlinge begrüßte. Des Herrschers Worte fielen ebenso sparsam aus wie sein Lächeln. Als Ottokar auf sie zuhielt, zitterten Arigunds Knie. Es war eine Sache, sich vorzunehmen, einen König an der Nase herumzuführen, eine ganz andere war es, das auch wirklich zu tun. Ottokar blieb stehen und musterte die Sänger. Dann wandte er sich an Heinrich: »Nun, Herr von Meißen, ich hoffe, Ihr werdet heute Nacht Eurem Beinamen ›Frauenlob‹ Ehre machen. Meine Gattin und ich sind begierig auf das neue Stück, das Ihr uns angekündigt habt.«
»Habt Dank für die Güte Eurer Aufmerksamkeit, hoher Herr«, antwortete der Minnesänger, »und seid versichert, mein Spielmann und ich werden die Damen aufs Angenehmste unterhalten.«
»Bestens, bestens.«
Arigund hörte, wie sich die Schritte des Königs entfernten. Sie atmete auf und wagte, den Kopf wieder ein wenig zu heben. Dabei blickte sie in die haselnussbraunen Augen eines Mädchens von etwa fünf Jahren. Es drückte eine fein gearbeitete Puppe an sich. Neugierig blinzelte es Arigund an.
»Bist du der Spielmann?«, fragte es mit zartem Kinderstimmchen.
»So ist es, hohes Fräulein«, bestätigte Heinrich anstelle Arigunds.
»Dann wirst du also mit mir spielen?«, fragte das Mädchen weiter. »Es ist nämlich immer so schrecklich langweilig auf den Banketten meines Vaters. Immer wird nur über Politik geredet.«
»Kunigunde!«, erhob sich Ottokars Stimme. Das Kind zuckte zusammen und sah sich hektisch um.
»Wenn Ihr es wünscht, so stehe ich Euch gerne zur Verfügung, sowie Euer Vater mich entlässt, Herrin«, flüsterte Arigund und blinzelte dem Mädchen verschwörerisch zu. Sie konnte das Kind so gut verstehen. Ihr war es auf den Festen ihres Vaters ähnlich ergangen. Ein Lächeln ließ das Gesicht des Kindes erstrahlen, bevor es mit seinen kurzen Beinchen zu seinem Vater rannte, der bereits das Wort an einen arrogant aussehenden Mann gerichtet hatte.
»Görz von Tirol, ein Freund des Rudolf von Habsburg«, erklärte Heinrich erneut. »Ein übler Geselle, vor dem man sich in Acht nehmen muss.«
»Vor dem Grafen oder vor Rudolf?«, fragte Arigund. Der Kloß steckte ihr immer noch im Hals.
»Vor beiden würde ich sagen«, warf Heinrich ihr über die Schulter hinweg zu. »Kommt, ich möchte Euch einigen wichtigen Männern vorstellen, aber versucht Euch zurückzuhalten, Tassilo.«
»Ich bin stets darauf bedacht, mich bei Männern zurückzuhalten«, konterte die junge Frau. »Man hat mir beigebracht in diesen Fällen zu lächeln und zu schweigen.«
»Das ist nicht das Schlechteste.«
Heinrich schlängelte sich durch die Menschenmenge, in der sich wieder kleine Grüppchen gebildet hatten, die meisten von ihnen in angeregte Gespräche vertieft. Der Ritter strebte einem gedrungenen Höfling zu, dessen Züge von einem mongolischen Einschlag zeugten. Der Mann unterbrach sein Gespräch und kam dem Minnesänger entgegen.
»Mein lieber Heinrich, welche Freude Euch zu sehen«, begann er mit hartem Akzent sprechend. »Man sagte mir, Ihr werdet heute ein neues Werk zu Ehren unserer lieblichen Prinzessin Kunigunde vortragen.«
»Herzog Boleslaw, es freut mich, Euch bei so guter Gesundheit anzutreffen. Wie ich hörte, litt Eure ganze Familie unter Katarrh?«
»In der Tat, und es ist erstaunlich, wie so etwas einen tapferen Mann aus der Bahn werfen kann. Obwohl ich schon seit ein paar Tagen wieder auf den Beinen bin, möchte ich derzeit lieber mit keinem österreichischen Bären die Waffen kreuzen müssen.« Er zwinkerte anzüglich zu dem Gefolgsmann des Habsburgers hinüber. Ottokars Haltung schien ziemlich angespannt, nachdem er seine Unterhaltung beendet hatte.
Heinrich lächelte wissend und meinte: »Tja, seit unser König Kärnten und Krain geerbt hat, ist das Klima zwischen Prag und Brugg so frostig wie unser diesjähriger Winter.«
»Ihr seid ein guter Beobachter, Heinrich«, lobte der Herzog.
»Zu
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