Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)
Zuges.
*
Von nun an ging die Straße stetig bergauf, hinein in den Vorwald. Die Pferde der Brennberger schritten munter aus. Schließlich wussten sie, dass man stallwärts hielt. Sie hatten jedoch noch nicht einmal die Hälfte der Anhöhe geschafft, als der Kutscher die Maultiere plötzlich zügelte. Kaum dass sie standen, sprangen die beiden Mädchen aus dem Wagen heraus und schlugen sich in die Büsche.
»Was ist los?«, herrschte Wirtho die Anstandsdame mürrisch an, während er den beiden Mädchen nachsah.
»Der Herrin Arigund ist nicht wohl«, bekundete Maria zu Reichenegg, eine verwitwete Hofdame seiner Mutter, an der sein Vater vor längerer Zeit einmal Gefallen gefunden hatte.
Wirtho drehte sich herum und machte das Handzeichen für »Trinken« zu seinen Männern, woraufhin diese in schallendes Gelächter ausbrachen. Es dauerte eine Weile, bis die beiden jungen Frauen wieder auftauchten. Wirtho ritt zu ihnen, wobei er seinen Hengst dicht an die Zofe herantrieb. Als diese erschrocken zur Seite sprang, begegneten sich ihre Blicke für einen Moment. Annelies hatte blaugrüne Augen und ein niedliches Stupsnäschen, übersät mit zahlreichen Sommersprossen. Der Ritter stellte sich vor, wie es wäre, dieses Gesicht zu berühren. Ein unbändiges Verlangen überkam ihn. Was gäbe er dafür, hätte ihn der Knecht damals bei der Hochzeit nicht gestört. Ein Entschluss wuchs in dem jungen Ritter. Er würde sich schon noch holen, was ihm gebührte. Dieses Fohlen sollte von ihm zugeritten werden. Kein anderer sollte es vor ihm haben. Mühsam zwang Wirtho seinen Blick zur Krämerstocher herüber.
»Na, Fräulein Arigund, ist Euch wohler?«, fragte er mit süffisantem Grinsen, aber seine Augen schwenkten immer wieder zu Annelies. Vom Pferd aus ließ sich der Inhalt ihres Dirndls vorzüglich mustern. Das Mädchen spürte seinen schamlosen Blick und zog sich hastig am Wagen hoch, wodurch sich Wirtho die Aussicht auf ihre schlanken Knöchel eröffnete. Rasch rückte Annelies züchtig ihre Kleidung zurecht.
»Kann es dann endlich weitergehen?«, herrschte der Ritter die Hofdame Maria zu Reichenegg an. »Ich wollte noch bei Tageslicht auf der Burg eintreffen.«
Die Bürgerstochter nickte. Doch sie waren kaum die nächste Anhöhe herauf, als Arigund erneut anhalten ließ und zu den Büschen wankte. Als sich das Ganze zum fünften Mal wiederholte, war Wirthos Geduld am Ende.
»Sie wird sich jetzt zusammenreißen, ja!«, fauchte er zur Anstandsdame herüber. »Wir fahren nun in einem Stück nach Burg Brennberg, und wenn es ihr den Darm zerreißt.«
Arigund, die die Worte wohl gehört hatte, wurde glutrot, sagte aber keinen Ton. Sie ließ auch nicht wieder halten, doch gelegentlich hörte er sie im Wagen stöhnen. Als sie endlich – es dämmerte bereits – auf Burg Brennberg einritten, schien es ihr jedoch besser zu gehen. Noch immer totenblass, aber auf ihren eigenen Füßen verließ sie die Kutsche, ja sie ließ sich nicht einmal mehr von ihrer Zofe stützen, als sie der Burgherrin, Kunigund von Brennberg, gegenübertrat. Wirthos Mutter hieß den Gast willkommen und warf ihrem Sohn einen prüfenden Blick zu. Er überließ seinen Hengst einem Stallknecht und versuchte, sich in den Wehrgang zu den Männern zu verziehen.
»Wirtho von Brennberg!«, hielt ihn die strenge Stimme der Burgherrin auf. Missmutig machte der junge Ritter auf dem Absatz kehrt. Er fand es schrecklich, im Beisein der Männer so vor einer Frau kuschen zu müssen, aber andernfalls wäre es ihm schlecht ergangen.
»Ja?«
»Was ist mit diesem Mädchen passiert?«, wollte sie wissen. »Du hast doch auf sie aufgepasst …? Oder ist sie krank. In Regensburg soll ja das Fieber umgehen.«
»Keiner meiner Männer hat sie auch nur angesehen. Und auch sonst sei unbesorgt: Sie hat sich auf Werth mit Wein volllaufen lassen und spürt jetzt die Folgen.«
Frau Kunigund runzelte missbilligend die Augen und seufzte: »Ich frage mich, mein Sohn, welchen Anteil du daran hattest?«
»Was für eine Unterstellung! Nicht im Traum würde mir einfallen …!«
Seine Mutter unterbrach ihn mit einer barschen Handbewegung: »Von allein ist dieses Kind ja wohl kaum auf den Gedanken gekommen. Ist wenigstens die Magd brauchbar? Wir benötigen dringend ein paar fleißige Hände.«
»Dann sollten wir sie besser nicht zur Bewirtung einsetzen«, meinte Wirtho bissig. »Die Karaffe, die ich zuletzt in ihren Händen sah, landete auf meinem Festgewand.«
»Heilige Jungfrau, was
Weitere Kostenlose Bücher