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Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karolina Halbach
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ließ mir ausrichten, er habe ein neues Stück für uns Damen einstudiert. Ich denke, der Rosengarten wäre ein geeigneter Ort, es uns einmal anzuhören.«
    Augenblicklich begannen die Gewänder zu rauschen. Handarbeiten wurden sorgfältig weggepackt, und Füße scharrten auf dem Boden. Die Burgherrin winkte den Mädchen zu, um sie zu entlassen. Doch als Arigund sich den anderen anschließen wollte, wurde sie von Maria von Reichenegg aufgehalten.
    »Das da ist eine Beleidigung für unseren Herrgott und eine Vergeudung von Fäden«, blaffte die Hofdame und deutete auf Arigunds Nähwerk. »Bei uns reicht es nicht, sich in teures Tuch zu kleiden und ein wenig zu tirilieren. Du glaubst doch nicht im Ernst, dass du das so lassen kannst.«
    Arigund schluckte schuldbewusst und fragte mit gesenktem Blick: »Was wünscht Ihr, edle Dame?«
    »Trenn es auf, mach es neu, und gib dir diesmal mehr Mühe. So etwas vermag jede Magd besser als du.«
    Schon wollte das Mädchen antworten, dass sie sich bereits alle Mühe gegeben habe, doch ein kurzer Blick auf das Gesicht der Hofdame ließ sie lieber wortlos nach dem Tuch greifen. Maria von Reichenegg schnaufte verächtlich und stampfte mit wallenden Gewändern aus dem Raum. Arigunds Kiefer knackten vor Wut und Enttäuschung. Tapfer unterdrückte sie die Tränen. Noch nie hatte jemand so abfällig mit ihr gesprochen. Aber was blieb ihr anderes übrig, als zu tun, was die alte Krähe von ihr verlangte. Ergeben griff das Mädchen nach einem zierlichen Messer und löste den Faden, wobei sie sorgsam darauf bedacht war, ihn nicht zu zerreißen. Sie hatte gerade die ersten Stiche gemacht, als Berta in die Kammer zurückkehrte. Sie erfasste die Situation mit einem Blick. »Versucht die alte Hexe, dich zu gängeln?«, fragte sie und klimperte wissend mit den Augen. »Mach dir nichts draus, das versucht sie mit jedem.«
    Berta setzte sich neben die Kaufmannstochter und sah ihr mit gerunzelter Stirn beim Nähen zu. Arigund wurde nun auch noch nervös. Ihre Hände begannen zu schwitzen. Ständig rutschte sie mit der Nadel ab. Wut stieg in ihr hoch. Sie fühlte sich versucht, das Altartuch samt Nähzeug in hohem Bogen aus dem Fenster zu schleudern.
    »Warte mal, so wird das nichts«, meinte Berta schließlich.
    »Ach, tatsächlich?«, zischte Arigund.
    »Das hast du noch nicht oft gemacht, stimmt’s? Gib mal her, ich zeige dir, wie es geht.«
    Die junge Adelige nahm ihr das Tuch aus der Hand, legte es sich im Schoß zurecht und begann zu nähen. Die Nadel flog leicht über den Stoff. »Lockere den Griff um die Nadel, und beachte den Verlauf der Webkante am Tuch. Schau, so musst du es machen.«
    Wortlos beobachtete Arigund, wie in kürzester Zeit ein gleichmäßiger Saum entstand.
    »Willst du es jetzt mal selbst versuchen?«, fragte Berta. »Es ist wirklich nicht schwer.«
    »Für mich schon«, gestand Arigund.
    Berta schaute sie mit ihren großen Kulleraugen an und lauschte nach draußen. Aus der Ferne war der Klang von Hörnern zu vernehmen. Berta sprang aufgeregt auf und kletterte auf einen Hocker, um besser aus dem Fenster sehen zu können.
    »Die Männer, sie kehren von der Jagd zurück!«, rief sie mit viel zu hoher Stimme und wedelte mit dem halbfertigen Tuch zum Fenster hinaus. Schon war sie wieder vom Hocker herunter und schleuderte das Tuch in Arigunds Schoß.
    »Weißt du was, lass das Tuch doch von deiner Zofe fertig machen. Dann können wir gemeinsam zum Burghof hinab, um die Ritter zu begrüßen.«
    »Aber das merkt die Frau von Reichenegg doch«, wandte Arigund ein.
    »Na und? Hauptsache fertig.«
    Berta grinste verschwörerisch und war schon halb aus der Tür.
    »Annelies ist perfekt mit Nadel und Faden«, meinte die Kaufmannstochter nachdenklich, »aber sie wird anderes zu tun bekommen haben.«
    »Ach was. Die schafft das schon. Los, ich warte unten auf dich.«
    Dann war Berta verschwunden. Arigund war hin- und hergerissen. Einerseits hatte sie wirklich keine Lust auf das »blöde« Altartuch, andererseits widerstrebte es ihr, Annelies eine Aufgabe zuzuschustern, die sie eigentlich selbst erledigen sollte.
    »Ach was«, dachte sie schließlich, »nur dies eine Mal!«
    Mit wehenden Röcken rannte Arigund durch die Gänge und ließ Annelies von einer unterwegs getroffenen Magd ausrichten, sie solle sich in der Kammer ihrer Herrin einfinden.
    Arigund musste nicht lange warten. Sie drückte ihrer Zofe kurzerhand das Altartuch in die Hand, übersah deren verträumte Augen und

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