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Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karolina Halbach
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was, lass uns ganz einfach zum Saal hinuntergehen«, schlug die Kaufmannstochter vor. »Gewiss ist es schon Zeit zum Abendessen.«

K APITEL 10
    Arigund schlief in dieser Nacht wie ein Murmeltier. Zunächst hatte sie die Stille irritiert. Keine lärmenden Kutscher und quietschenden Eisenräder, keine wiehernden Pferde und kein Nachtwächter, der stündlich die Runde machte. Durch das hohe Fenster drangen ganz andere Geräusche: das gleichmäßige Rauschen des Waldes, die langgezogenen Klagelaute eines Käuzchens und hin und wieder die Rufe der Wächter. Schließlich war die Kaufmannstochter in einen tiefen und erfrischenden Schlaf gesunken. Sie erwachte voller Tatendrang und berichtete, während sie sich ihr Kleid überzog, Annelies von ihrem Plan, heute Morgen gemeinsam mit Berta den Wehrübungen der Ritter zuzusehen. Annelies schien ebenfalls bester Laune zu sein und gab ihrer Herrin noch ein paar Küchenzoten mit auf den Weg.
    Die Wehrübungen fanden auf einer nahe gelegenen Wiese statt. Arigund entdeckte Berta vor einem extra für die Damen errichteten Zelt. Die junge Adelige hatte ganz offensichtlich nach ihrer neuen Gefährtin Ausschau gehalten, denn sie winkte aufgeregt zu ihr herüber. Arigund hob ebenfalls die Hand und schlängelte sich durch gewaltige Haufen von Pferde- und Schafdung.
    Berta zog die Kaufmannstochter ins Zelt, wo Arigund rasch die anderen Damen begrüßen musste. Die gestrenge Maria von Reichenegg verlor kein Wort über das Altartuch, sondern wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Spielmann zu, der an seiner Leier drehte.
    »Sie haben schon mit den Schwertübungen angefangen«, erklärte Berta. »Bestimmt kommen bald die Pferde. Das ist ein Spaß! Der dicke Quirin dort drüben wurde beim letzten Mal von Herrn Wirthos Lanze getroffen und hat sich dabei das Nasenbein gebrochen. Er hat geblutet wie ein Schwein.«
    »Er war selbst schuld«, meinte Magdalena fachmännisch. »Man muss eben sein Visier fest geschlossen halten.«
    Arigund fand den Gedanken an den Unfall ziemlich abstoßend, schwor sich aber, diesmal den Mund zu halten. Stumm spähte sie auf das Gewusel, das ihr zunächst vollkommen planlos erschien. Männer schlugen sich mit Holzschwertern gegenseitig auf den Kopf. Fein – und was war daran so bemerkenswert? Nach einer Weile erkannte die Kaufmannstochter immerhin, dass die Ritter und Knappen in Übungsgruppen eingeteilt waren. Die Ritter trugen ihren Waffenrock und ein Kettenhemd, die Knappen beschränkten sich auf ein derbes, ledernes Wams. Der Waffenmeister ging von einer Gruppe zur nächsten, gab dort Ratschläge, verbesserte hier die Handhabung von Schwert und Schild. Er war ein großgewachsener Kerl mit breiten Schultern und Armen wie Baumstämmen. Irgendwie erinnerte er Arigund an den alten Truchsess. Andererseits sahen hier die Menschen alle ziemlich gleich aus, vor allem wenn sie einen Waffenrock trugen. In diesem Moment bekam sie Bertas Ellbogen zwischen die Rippen. »Schau, schau!«, rief sie aufgeregt und deutete zu der Gruppe der Knappen hin. »Es liegt einer am Boden.«
    Arigund kniff die Augen zusammen, konnte aber wenig erkennen, weil sich ein Knäuel aus Knappen um den verletzten Burschen gebildet hatte. Der Wundarzt eilte mit einer Bahre und zwei Trägern heran und bahnte sich seinen Weg. Die Damen reckten neugierig die Hälse. Minuten später schleppte man einen hoch aufgeschossenen Buben mit dunkelblonden Locken vom Übungsplatz. Arigund erkannte ihn sofort. Es war der Junge, der wie ein Gekreuzigter in der Kirche gelegen hatte. Ein kleiner, spitzer Schrei entfloh der Herrin Kunigund: »Reimar!«
    Mit wehendem Rock stürzte sie den Trägern entgegen.
    »Das hab ich mir schon gedacht«, raunte Berta in Arigunds Ohr.
    »Warum?«, fragte Arigund. Die beiden Geschwister kicherten wieder einmal und rollten wissend mit den Augen.
    »Reimar«, belehrte sie Berta, »der tut sich doch dauernd weh, manchmal sogar einfach so.«
    »Ein Schwächling«, ergänzte Magdalena, »der Zuflucht unter Mutters Rockzipfel sucht.«
    »Die singt ihm dann was vor«, meinte Eustancia und verdrehte die Augen. Ihre Schwester nickte: »Reimar wird niemals ein Ritter.«
    »Und wenn, überlebt er seinen ersten echten Kampf nach der Schwertleite wohl kaum«, meinte Magdalena.
    »Zum Glück erbt ja Wirtho die Burg und den Titel«, stellte Berta fest. »Der ist ein Kämpfer! Sein Schwert saust durch die Luft, und die Hufe seines Hengstes sprühen Feuer. Da, schau!« Berta wies mit der Hand zum Ende

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