Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)
Minnehof geht es bergab. Dem Truchsess und seiner Frau mangelt es an der Tugend der Bescheidenheit. Der Herr strafte sie mit einer schlechten Ernte und einem harten Winter. Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als die meisten Spielleute fortzuschicken. Wenn Ihr mich fragt, so war es der Wille Gottes.«
Pater David nickte. »Ich hörte, der Truchsess hätte erneut vom Bischof das Schlagrecht erbeten.«
»Tatsächlich? Und wird seine Bitte Gehör finden?«
»Er gilt als treuer Vasall.« Der Abt ließ sich ächzend auf der hölzernen Kirchenbank nieder. Er hatte eine Entzündung am Zeh, die ihm zusehends Beschwerden verursachte. Er gab dem Burgkaplan ein Zeichen mit der Hand, neben ihm Platz zu nehmen. Der rückte ein Stück näher, als es der Anstand gebot, und sprach weiter mit gesenkter Stimme.
»Der Truchsess strebt eine Verbindung zwischen seinem Sohn Wirtho und dem Geschlecht der Eckmühl an.«
»Ist das so?«, erwiderte der Abt mit scheinbar geringem Interesse.
»Auf dem Weg hierher habe ich auf der Heilsburg Rast eingelegt. Bertas Vater war überrascht von der Nachricht, die ich ihm im Namen seines Nachbarn überreichte. Er scheint für Berta anderes vorgesehen zu haben, mag aber keinen Konflikt mit dem Truchsess heraufbeschwören.«
Der Abt neigte das Haupt und verschränkte die Hände. Sein Blick ging zur Statue der Heiligen Maria mit dem Kind in einer Nische der Kapelle. Das Licht der Talgkerze zu Füßen der Holzfigur brannte ruhig. Es war eine Rottaler Schnitzarbeit, fast eine Elle groß und wundervoll gefertigt.
»Der Bischof würde eine solche Verbindung nicht gerne sehen«, meinte der Minorit nach einer Weile. »Das Geschlecht der Brennberger bekäme dadurch sehr viel Macht, und der junge Truchsess ist ein Heißsporn, der dazu neigt, nach den Sternen zu greifen.«
»Zudem wenig gottesfürchtig«, ergänzte der Mönch und dachte an die Kollekte in Wirthos schwieligen Händen.
Pater David kratzte sich ausführlich an seiner Tonsur, dann merkte er an: »Der Truchsess benötigt also das Schlagrecht, um mit dem Erlös des Holzverkaufs die Brautwerbung seines lästerlichen Sohnes zu finanzieren, ich verstehe. Er wird nicht erfreut sein, wenn der Bischof ablehnt, aber wird er deshalb auch von der Werbung absehen?«
»Schwer zu sagen: Wirtho ist verrückt nach dem Mädchen, und wie Ihr schon sagtet, Prior, von hitzigem Temperament. Der Eckmühler ist wenig erbaut davon, die Hand seiner Tochter in solche Hände zu legen. Er träumt von einer Vermählung nach Landshut.«
»An den herzöglichen Hof. Das wäre eine Möglichkeit«, bestätigte der Minorit. »Damit würde man den Brennberger nicht brüskieren. Ist sie denn von angenehmer Erscheinung?«
Der Burgkaplan kramte in seinen Gewändern und zog eine Miniatur hervor. »Seht selbst«, meinte er und reichte sie dem Abt. Der kniff die Augen zusammen und musterte das Bildnis. »Fürwahr, eine Schönheit. Da sollte sich ein Gemahl schon finden lassen.«
K APITEL 11
J ULI 1268
»Beeilung, Beeilung!« Wirthos Stirn glänzte von Schweiß, und sein Hemd zeigte große dunkle Flecken unter den Armen. Die fröhlichen Gesänge der Mägde waren verstummt. Eilig arbeiteten sie Hand in Hand mit den Männern, warfen die langen Halme des Bergwiesenheus mit ihren Heugabeln auf die Leiterwagen oder schichteten sie so gut wie möglich aufeinander. Am Horizont hatten sich mächtige Wolkenberge aufgetürmt, und von ferne war bereits dumpfes Grollen zu hören. Die Ochsen brüllten ungehalten und schlugen wild nach den daumennagelgroßen Rinderbremsen. Matthias stand breitbeinig wie ein Bär vor den unruhigen Tieren und hatte doch seine liebe Not, die braunen Riesen zu bändigen. Endlich lag das letzte Büschel Heu auf dem Karren. Auf ein Zeichen des Burgherrn trat der Rotschopf beiseite, drückte die Führleine dem schmächtigen Lukas in die Hand und schlug dem rechten Ochsen auf die Kruppe, das Signal zum Aufbruch. Die Tiere legten sich ins Joch. Den Weg nach Hause würden sie selbst finden. Hoffentlich trotteten sie nicht allzu gemächlich dahin. Matthias hechtete zum zweiten Heuwagen, vor den man Arigunds Maultiere gespannt hatte. Die beiden wurden noch weit schlimmer von den bissigen Insekten geplagt, oder es machte ihnen einfach mehr aus. Sie scharrten mit den Hufen, versuchten sogar im Geschirr zu steigen. Die beiden Knechte, die man ihnen an die Seite gestellt hatte, waren kaum noch in der Lage, die Tiere zu halten. Matthias war keine vier Schritte mehr
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