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Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karolina Halbach
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sich ein kleines Messer und begann sie zu schälen. Und dann geschah etwas Seltsames. Die alte Resl, von der Annelies bislang kaum mehr als nur ein ärgerliches Grunzen gehört hatte, setzte sich neben sie, um ihr zu helfen. Zwei weitere Mägde kamen ebenfalls dazu. Im Nu war der Korb geleert, und das Obst lag geschält auf dem Holzbrett. Annelies sah die Resl an.
    »Weißt, Annelies«, nuschelte die Alte mit zahnlosem Mund, »des ist mein Derndl gewesen, die der Matthias vom Heuwagerl g’holt hat und schwanger is a no.«
    Die Lippen der Alten bebten. »Vierzehn Enkerl hab i etza und des eine, des wollat i doch a no seh’n.«
    Die beiden anderen Mädchen tätschelten der Resl die Schulter und redeten ihr gut zu: »Scho, scho Oma, a Bua wird’s g’wiss, wirst sehn, und der soll dann a Matthias heißen.«
    Sofort liefen Annelies neue Tränen übers Gesicht. Eine fleckige Hand legte sich auf ihre. »Brauchst net so fest leschen. Des wird scho wieder.«
    Die beiden Mägde nickten. Eine reichte ihr eine Schale mit Wasser, damit sie sich das verheulte Gesicht waschen konnte. Der Koch drückte Annelies wortlos eine Schale süßen Getreidebrei in die Hände, verzog sich dann aber und schimpfte unverständliche Worte hinter seinen Töpfen und Zuber.
    »Ich weiß ja nicht mal, ob er noch am Leben ist«, seufzte Annelies endlich.
    »Mir passa scho auf erm auf«, beruhigte sie die Alte, doch Annelies sah sie zweifelnd an.
    »Wir kleinen Leut haben auch so unsere Möglichkeiten«, deutete die jüngere Magd an. »Gehst nachher mit, dann siehst des scho.«

*
    Arigund hatte sich die Geschichte von Matthias’ »Vergehen« noch von anderen Zeugen schildern lassen. Je häufiger sie ihr berichtet wurde, umso wütender wurde sie. Matthias war kein Verbrecher, sondern ein Held. Er hatte sein Leben riskiert, um das der anderen zu retten, und dafür wollte Wirtho ihn hängen sehen. Es war absurd. Am liebsten hätte Arigund den zukünftigen Truchsess an seinen abstehenden Ohren gepackt und ihn gezwungen, Matthias eigenhändig aus dem Loch zu holen. Dieser Ritter war widerwärtig und ungerecht. Ein Tyrann. Kochend vor Wut rannte die Kaufmannstochter durch den strömenden Regen über den Hof, ohne auf die unzähligen Pfützen zu achten. Das Wasser spritzte ihr bis zu den Knien hoch. Die wenigen Knechte, die damit beschäftigt waren, die letzten Schafe in Sicherheit zu bringen, sahen ihr kopfschüttelnd nach. Die Abstände zwischen Blitz und Donner wurden immer kürzer, der Regen prasselte heftiger. Die Bruthitze des Nachmittags war von einem kalten Ostwind fortgeweht worden, und der Himmel hatte sich rabenschwarz zugezogen. Arigund spähte zu den Männern herüber. Sie suchte nach dem einzigen Menschen, von dem sie glaubte, dass er ihr helfen könnte. Sie schirmte die Hand mit den Augen ab.
    »He, habt ihr Herrn Reimar gesehen?«, rief Arigund durch den Sturm den Knechten zu. Doch die schüttelten bloß den Kopf.
    »Der ist bestimmt schon drinnen in der Halle«, mutmaßte schließlich einer.
    Das Mädchen nickte, raffte die Röcke und rannte zum großen Tor. Die Fackeln im Eingangsbereich flackerten aufgeregt, als der Wind in den Innenraum fegte.
    »Tür zu!«, brüllte jemand. In der Burg herrschte dichtes Gedränge. Es roch nach nassem Leder und Schweiß. Die Frondienstler und Bauern, die sonst im Hof verköstigt wurden, hatten allesamt in der Burg Zuflucht gesucht. Einige löffelten bereits ihre Schüsseln mit Getreidebrei, andere versuchten sich zur Essensausgabe vorzudrängen. Arigund musste die Ellbogen benutzen, um sich einen Weg zu bahnen. Sie fragte immer wieder nach Reimar, doch niemand hatte ihn gesehen. In der Mitte der großen Halle entdeckte die Kaufmannstochter schließlich Kunigund von Brennberg. Eigenhändig verteilte die Burgherrin das Essen an die hungrigen Menschen, eine Anerkennung an die Leistung des heutigen Tages und eine versöhnliche Geste wegen des Vorfalls mit Matthias. Berta stand lächelnd an ihrer Seite und reichte das Brot. Arigund kämpfte sich nach vorne.
    »Da bist du ja«, meinte das Adelsfräulein lediglich. Dann deutete sie auf den fast leeren Korb neben sich. »Wir brauchen noch mehr Brot. Sagst du in der Küche Bescheid?«
    Arigund nickte. »Ich suche Reimar. Hast du ihn gesehen, Berta?«
    Das Mädchen zuckte lediglich mit den Schultern und meinte: »Keine Ahnung, wo der ist. Was willst du denn von ihm?«
    Bei der Nennung des Namens war Frau Kunigund aufmerksam geworden und wandte sich jetzt an die

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