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Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karolina Halbach
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Im selben Augenblick wurde es taghell. Arigund sprang zurück in den Stall und prallte dabei gegen den Waffenmeister. Der Wind fegte durch den Schafstall. Lämmer blökten erschrocken, als der nächste Blitz über der Burg zuckte und sofort vom folgenden Donner übertönt wurde. Arigund klammerte sich ängstlich am Arm des Ritters fest. Sie hatte schon so manches Gewitter in Regensburg erlebt, aber dieses hier schien Burg Brennberg in den Schlund der Hölle zerren zu wollen. Hektisches Geläut riss das Mädchen aus seiner Starre.
    »Feuer!«, riefen laute Stimmen durch den Hagel, der sich erneut in Regen zu verwandeln begann.
    »Mist!«, fluchte der Waffenmeister, schüttelte das Mädchen ab und stürmte aus dem Stall. Arigund stand da wie ein begossener Pudel. »Reimar«, flüsterte sie. »Keiner wird jetzt noch nach ihm suchen.«

*
    Später sollten die Leute munkeln, Wirtho selbst habe das Unglück heraufbeschworen, als er sich an einem Unschuldigen vergriff. Der Blitz hatte in die Kastanie neben dem Pferdestall eingeschlagen. Die brennende Krone des Baumes war gebrochen und auf das Strohdach gefallen, das lichterloh in Flammen stand. Binnen weniger Augenblicke war der Hof voller Menschen, die in Panik hin und her rannten. Es war der Waffenmeister, nicht etwa Wirtho, der eine Löschreihe bilden ließ, die schwere Wassereimer von Hand zu Hand reichte, sowie Knechte in den Stall schickte, die Pferde herauszutreiben. Kaum losgemacht, stürmten die verängstigten Tiere panisch auf den Hof. Erst später entdeckte Arigund den zukünftigen Truchsess, der mehrfach vergeblich nach Maestoso, seinem Hengst, rief und schließlich brüllte, man müsse sofort jemanden in das mittlerweile vollständig in Flammen gehüllte Gebäude schicken, das wertvolle Tier zu retten.
    Arigund stand schwankend im strömenden Regen und sah sich um. Niemand schien an Reimar und das abgängige Schaf auch nur einen Gedanken zu verschwenden. Zweimal versuchte sie, einen der an ihr vorbeieilenden Knechte aufzuhalten, aber die drängten sie einfach zur Seite und hasteten weiter. Arigunds Blick fiel auf den Eingang der Burgkapelle. Vielleicht war dort jemand, der mit ihr hinunter zur Eiche gehen konnte. Eilig rannte sie hinüber und zerrte an der eisenbeschlagenen Holztür. Eine Bö fuhr unter die Holzschindeln. Wild wirbelten die Bretter durch die Luft und zerbarsten krachend an der Burgmauer. Arigund schrie auf. In diesem Augenblick öffnete sich die Kirchentür und eine hagere Gestalt erschien wie aus dem Nichts.
    »Pater Anselm?«, rief Arigund erleichtert, »Euch schickt der Himmel!«
    Mit einer Kraft, die man dem ausgezehrten Körper kaum zugetraut hätte, stemmte sich der Mönch gegen den Sturm. Die Pforte öffnete sich. »Hinein, rasch!«, brüllte der Geistliche gegen das immer rasender wütende Unwetter an. Arigund schüttelte energisch den Kopf. »Reimar, er ist noch draußen!«, rief sie dem Pater entgegen.
    Der Geistliche zog sie trotzdem in die Kirche hinein.
    »Er sucht das Lieblingsschaf der Herrin Kunigund«, erklärte das Mädchen hektisch. »Vermutlich hat es sich unten an der Pferdeweide verlaufen.«
    Pater Anselm musterte die junge DeCapella. Ihr Kleid war vollkommen durchweicht. Das feine Leinen klebte an ihrem Körper und gab mehr von den weiblichen Formen preis, als es verhüllte.
    »Woher willst du das wissen, Tochter?« Pater Anselms Stimme hatte etwas Lauerndes.
    »Der Hirte hat es gesagt. Wir müssen Reimar suchen. Bestimmt braucht er Hilfe.«
    Der Mönch schien einen Moment zu zögern, doch dann nickte er. »Warte!«, wies er Arigund an, verschwand, um kurz darauf mit zwei derben Mänteln zurückzukommen. Dann griff er nach der Hand des Mädchens und zog es mit sich. Halb blind vom Regen und bei jedem weiteren Blitz heftig zusammenzuckend, stolperte Arigund hinter Pater Anselm her. Der stemmte sich gegen die Sintflut, als wäre er Noah persönlich. Im Licht der Blitze kämpften sich die beiden zur Vorburg und von dort über den mittlerweile gefährlich glatten Weg herunter zu der Pferdeweide. Der nächste Blitz erleuchtete das abgefressene Stück Grasland. Von Reimar war nichts zu sehen.
    »Vielleicht hat er im Wald Schutz gesucht?«, meinte Arigund hoffnungsvoll.
    »Hoffentlich nicht«, erwiderte der Mönch. »Dorthin ziehen sich die Wildschweine bei Unwetter zurück.«
    Davon hatte der Ritter nichts erwähnt. Arigund erschauderte. Weder sie noch der Mönch hatten eine Waffe dabei.
    »Wir sollten zur Burg zurückgehen«,

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