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Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karolina Halbach
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Armen steckt noch mehr Kraft, als ma meinen möchte.«
    Noch einmal blickte Annelies nach unten, auf Matthias. Dann setzte sie sich entschlossen auf den Knüppel und klammerte sich an das Seil. Langsam senkte sich das schwankende Gefährt nach unten. Im Kerker stank es bestialisch nach Urin und Rattenkot. Kalter Schweiß trat der Zofe auf die Stirn. Jemand schien ihr das Herz abdrücken zu wollen. Bang spähte Annelies in die Tiefe. Hätte sie es bloß nicht getan! Da schien gar kein Boden mehr zu sein. Alles war in Bewegung und drehte sich. Zahllose Ratten flüchteten vor dem einfallenden Licht. Annelies wollte schreien, aber kein Laut kam über ihre Lippen. Schließlich landete sie unsanft auf dem Boden. Die Zofe rappelte sich auf und fingerte nach dem Korb. Matthias lehnte an der feuchten Wand und schien ihr aus seinen verquollenen Augen zuzuzwinkern.
    »Der Himmel öffnet sich«, lispelte er durch eine mächtige Zahnlücke. »Mein Engel kommt.«
    Er streckte die Hand nach Annelies aus. Sie drückte seine Finger sanft, und das Herz pochte ihr bis zum Hals.
    »Oh, Matthias«, flüsterte sie. Dann fehlten ihr die Worte.
    Er führte ihre Finger an seine Lippen.
    »Wenn ich hier wieder draußen bin, lass ich dich nie wieder gehen, meine Sonne«, hauchte er auf ihre Fingerspitzen.
    Annelies senkte den Kopf. Resl knurrte von oben: »Halt’s Maul, du Depp! Narrisch bist scho gwesn, den Gaul vom Wirtho zu reiten, und jetzt schaust, dass’d weiterkimmst. I hab net den ganzen Tag Zeit.«
    Annelies griff in den Korb und reichte dem Knecht den Kürbis, in dem sich heute süßer Getreidebrei befand. Der Knecht griff nach ihrem Handgelenk und fragte mit banger Stimme: »Er wird mich doch wieder rauslassen, der Herr?«
    Wortlos reichte Annelies ihm das Essen.
    »Annelies, sag schon! Was weißt du?«
    »Es wird einen Prozess geben«, sagte sie. »Wirtho behauptet, du hast das Pferd gestohlen.«
    Der Knecht zuckte zusammen und keuchte: »Was? Aber das stimmt nicht!«
    »Was der Herr sagt, stimmt immer«, wies ihn die Alte zurecht.
    Matthias sank auf sein Lager zurück, das Annelies gerade mit mitgebrachtem Moos zu polstern versuchte. »Dann ist alles verloren. Sie werden mich …«
    Matthias sprach nicht aus, was alle dachten.
    »Papperlapapp«, mischte sich Resl wieder von oben ein, »morgen red’t er was anderes, und dann is des richtig. Is a eh grad beschäftigt, wo sei narrischer Gaul dahin is und er die Eckmühlerin heiraten will.«
    »Und die Kornernte steht vor der Tür«, ergänzte Annelies, ohne dass ihr jemand Gehör schenkte.
    »Maestoso ist tot?«, fragte Matthias ungläubig. Kraftlos ließ er sich ins Stroh zurückfallen. »Das ist schlimm. Der Herr wird außer sich sein.«
    »Der ist doch selber schuld«, fuhr Annelies hoch. »Hätt er dich nicht zusammengeschlagen, wäre jemand da gewesen, der das Pferd hätte bändigen und aus dem brennenden Stall retten können.«
    »Hätt ja selber gehn können, der noble Herr«, merkte Resl an. Doch dann verharrte sie reglos.
    »Resl, was ist?«, rief Annelies ängstlich.
    »Pst, psst, kein Wort. Da kimmt jemand!«
    Jetzt hörte auch Annelies die gedämpften Stimmen durch das Mauerwerk. Jemand schimpfte ärgerlich.
    »Wirtho!«, flüsterte Matthias. Annelies drückte dem Knecht einen Salbentiegel in die Hand.
    »Immer schön einschmieren«, wies sie den Knecht an. Dann hockte sie sich auf den Prügel, doch Resl winkte hektisch mit den Armen.
    »Des schaff i nimma«, raunte die Alte. »Lass los und bleib unten! Mir hol’n di später!«
    Kaum war Annelies abgesessen, als der Sitzbalken nach oben raste. Nun waren auch die Stimmen von Luise und Ferdl zu hören. Im nächsten Augenblick war alles dunkel. Die drei hatten das Angstloch rasch verschlossen. Keine Sekunde zu früh.
    »Was machst du denn da?«, grölte Wirtho. »Im Turm hat keiner was zu suchen, es sei denn, ich werf ihn eigenhändig hinein. Ferdl, raus mit den Weibern, aber plötzlich. Mit euch beschäftige ich mich später. Und nun zu dir! Ich werde dich lehren, Befehle zu befolgen.«
    Annelies hörte das Klatschen einer Reitpeitsche und Ferdls Jammern. Panisch sah sich das Mädchen um, doch es war so dunkel, dass man die Hand nicht vor Augen sehen konnte.
    »Stell dich ganz dicht an die Wand«, flüsterte Matthias. »So weit reicht das Licht des Feuers nicht, und ich bleib direkt unter dem Loch liegen.«
    Annelies tastete nach der Mauer und drückte sich fest an den glatten Stein. Sie hörte, wie Matthias seinen

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