Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)
als wäre damit alles erklärt.
»Und die Annelies ist ganz sicher noch im Loch?«, hakte Arigund nach.
»Scho, scho.«
»Gut, dann habe ich einen Plan, wie wir den Herrn Wirtho austricksen können.« Arigund winkte die beiden zu sich heran. Resl gluckste vor Vergnügen.
*
Kurze Zeit später schlüpfte Luise mit zwei Stückchen Pergament aus dem Zimmer. Auch Resl humpelte los und kramte in ihrem Vorrat an Pülverchen. Arigund dagegen machte sich für das Nachtmahl zurecht. Ohne die Hilfe von Annelies war es schwierig, die komplizierte Schnürung des braunen Kleides aus fein gewebtem Leinen zu befestigen. Endlich hatte sie es geschafft. Zuletzt ordnete sie noch ihr Haar, dann machte sie sich auf den Weg zur großen Halle.
Die Burgmannen und Damen waren bereits anwesend. Arigund gesellte sich zu den anderen Mädchen. Berta kehrte der Patriziertochter demonstrativ den Rücken zu. Magdalena und Eustancia sahen sich kurz an und taten es dann Berta gleich. Arigund stand da und ballte die Fäuste. Dann drehte sie sich ebenfalls um und unterhielt sich mit einem der Ritter. Er war blutjung und besaß noch kaum Bartwuchs. Seine Schwertleite konnte keinen Sommer her sein. Von der unverhofften Aufmerksamkeit einer Dame schien er völlig überrumpelt und rang nach Gesprächsstoff. Zum Glück kamen in diesem Augenblick die Mägde, die heute aufwarten sollten, mit dampfenden Schüsseln. Es duftete verlockend nach Hühnerbrühe.
»Da haben wohl ein paar der alten Legehennen ihr Leben lassen müssen«, meinte Arigund leichthin.
Der Ritter wischte verlegen seine schweißigen Hände an seinem Mantel ab. »Äh, ja«, stammelte er.
»Zum Glück haben die Hennen im April gründlich gebrütet, jedenfalls springen reichlich junge Hühner über den Misthaufen. Sind die nicht entzückend?«
Der junge Mann sah Arigund entgeistert an. Offenbar hatte er an das Federvieh noch keinen Blick verschwendet. Sein Interesse an Hühnern beschränkte sich darauf, wie sie schmeckten.
»Oh, sicher«, antwortete er. Endlich erschienen Wirtho und seine Mutter. Erleichtert verabschiedete sich der Chevalier mit einer knappen Verbeugung. Die Gesellschaft strebte ihren angestammten Plätzen zu. Doch die Burgherrin und ihr Sohn nahmen nicht sogleich am Kopf der Tafel Platz, sondern verschafften sich zunächst Gehör.
»Ein Bote brachte Nachricht vom Truchsess«, verkündete Wirtho, nachdem Ruhe eingekehrt war. »Er wird in Kürze auf der Burg eintreffen. Wir werden mit dem Nachtmahl auf ihn warten.«
Augenblicklich erfüllte lautes Gemurmel die Halle. Jeder hatte etwas zu tuscheln. Als Fanfaren schließlich die Ankunft des Burgherren verkündeten, strebten alle Anwesenden auf den engen Burghof. Arigund fluchte leise, denn das warf ihre schönen Pläne vollkommen durcheinander. Eigentlich hatte sie vorgehabt, Wirtho und Berta mit ihren Schreiben in den Garten zu locken. Dann wären die beiden Turteltauben für eine ganze Weile aus dem Weg gewesen. In dieser Zeit hätte Arigund unter einem Vorwand zum Turm laufen und Annelies befreien können. Die Wachknechte – das hatte die Resl versprochen – hätten sie wohl bis zu dem bärbeißigen Alois durchgelassen. Dem wollte die Resl zerstoßene Fuchsleber ins Essen mischen, was ihn über kurz oder lang auf den Donnerbalken gezwungen hätte – lang genug, um Annelies aus dem Loch zu befreien.
Aber das Eintreffen des Truchsess änderte alles. Der allerdings schien zunächst erst einmal hungrig zu sein. Kaum vom Pferd gestiegen, eilte er mit schnellen Schritten auf die große Halle zu. Sein Gedeck und sein Humpen waren bereits an ihrem Platz. Kunigund von Brennberg und Wirtho setzten sich neben ihn. Doch dann geschah etwas Unerwartetes. Der Truchsess wandte sich an seinen Sohn, woraufhin der sich erhob, zu Berta ging, ihr die Hand reichte und an den Platz neben sich führte. Die junge Adelige strahlte über das ganze Gesicht und knickste artig vor dem Truchsess.
»Hast du das gesehen«, flüsterte Eustancia und vergaß dabei ganz, dass sie eigentlich mit Arigund gar nicht mehr reden wollte. Die nickte.
»Das kann nur heißen, dass der Eckmühler Herrn Wirthos Werben entsprochen hat«, bestätigte Arigund. Ihr schwante, dass das für ihren Aufenthalt auf der Burg nichts Gutes bedeuten konnte. Berta war in der letzten Zeit ohnehin schon schwer zu ertragen gewesen. Als zukünftige Frau des Stammhalters würde sie ihr wahrscheinlich die Hölle heißmachen. Eustancia schaute Arigund fragend an.
»Vermutlich
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