Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)
wird er im Laufe des Mahls die offizielle Verlobung der beiden verkünden«, meinte die Kaufmannstochter mit wenig Begeisterung in der Stimme.
»Ach ja, das gibt bestimmt eine Hochzeit wie bei Hofe«, schwärmte Eustancia. »Alle Adelshäuser der Gegend werden kommen, und bestimmt gibt es ein Turnier. Ich war schon Ewigkeiten auf keinem mehr.«
»Das letzte fand zu Wirthos Schwertleite statt«, stellte Magdalena fest.
»Ach, ich möchte auch bald heiraten«, seufzte Eustancia.
»Erst einmal bin ja wohl ich dran. Ich bin die Ältere von uns beiden. Du bist erst zwölf Jahre und noch nicht mal zur Frau geworden.«
»Na und? Dafür bin ich hübscher als du, nicht wahr, Arigund. Sag, dass ich ein viel anmutigeres Gesicht habe als Magdalena.«
»Warum feiert ihr nicht gleichzeitig Hochzeit?«, schlug die junge Patrizierin vor. Es war ihr so etwas von egal, ob und wann diese Gänse unter die Haube kamen. Ihre Gedanken weilten bei Annelies, die nun vergeblich auf ihre Rettung warten würde. Als vergeblich stellte sich im Laufe des Abends auch das Warten auf die Kundgabe der Verlobung zwischen Berta und Wirtho heraus. Allerdings war zu beobachten, dass die Herrschaften eine lebhafte Unterhaltung führten und Wirtho einen recht selbstgefälligen Gesichtsausdruck zur Schau trug. Berta giggelte und kicherte, was das Zeug hielt, und flirtete sogar mit dem Truchsess selbst. Der umgarnte sie mindestens ebenso eifrig wie sein Sohn. Nur Frau Kunigunde wirkte seltsam ernst. Schon kurz nach der Nachspeise erhob sie sich und verließ die Gesellschaft. Die anderen Damen taten es ihr gleich. Auch Arigund strebte aus der großen Halle, war jedoch unschlüssig, was sie jetzt tun sollte: Ihren Plan zu Annelies’ Befreiung beibehalten oder eine andere Gelegenheit abwarten. Aber: Würde es die geben? Wenn ja, wann? Gedankenverloren schlenderte das Mädchen den Gang entlang, als ihm plötzlich eine Gestalt den Weg versperrte. Arigund schreckte hoch. Ihr Herz klopfte. Erst als sie Luise erkannte, beruhigte sie sich wieder. Die Magd winkte eifrig.
»Hier entlang, Herrin!«, flüsterte sie.
Die beiden verschwanden hinter einer Säule.
»Es ist alles bereit«, erklärte Luise. »Die Wachen werden Euch durchwinken, soweit sie nicht zu betrunken sind. Der Herr Reimar war heute großzügig mit der Bierausgabe.
»Ihr meint also, es könnte immer noch klappen?«, hauchte Arigund und spürte ein flaues Gefühl im Magen.
»Es muss«, stellte die Magd fest. »Annelies kann nicht ewig da drinbleiben. Sie wird Hunger haben und Durst.«
»Und wenn der Herr Reimar zu dem Gefangenen will?«
»Warum sollte er? Matthias läuft ihm ja nicht weg.«
»Und Wirtho?«, hakte Arigund nach.
»Der hat heute Nacht anderes vor …« Luise grinste.
»Du hast ihm also den Zettel zukommen lassen?«
»Er liegt auf seinem Kissen und duftet nach feinstem Rosenöl.«
Arigund fiel beinahe in Ohnmacht. »Aber das hättest du jetzt doch nicht mehr tun dürfen, wo die beiden fast verlobt sind. Darauf fallen die nie und nimmer rein.«
Die Magd zuckte mit den Schultern. »Ach was, so gescheit ist der Herr Wirtho nicht. Bis dass er es merkt, sind wir wieder weg. Höchstens, er ist zu besoffen, um’s noch in den Garten zu schaffen.«
»Sprich nicht so über deinen Herrn«, tadelte Arigund.
»Wie auch immer, wir müssen uns sputen. Die Fuchsleber müsste bald ihre Wirkung tun.«
Mit diesen Worten rannte die Magd voran. Arigund, die immer weniger das Gefühl hatte, dass dieser Plan aufgehen könnte, folgte ihr zögernd. Am Münchstein trafen sie auf die alte Resl. Die spuckte der Patriziertochter dreimal über die Schulter, um ihr Glück zu wünschen, und klopfte ihr auf den Rücken: »A gut’s Mäderl bist scho, Herrin Arigund«, lobte sie, »und hast’s Herzerl am rechten Fleck.«
»Also dann geh ich jetzt«, meinte Arigund und hoffte irgendwie, dass die beiden sie doch noch zurückhalten würden. Doch die dachten gar nicht daran, sondern waren schon in der Dunkelheit verschwunden. Anfänglich zaudernd, doch dann aufrechten Ganges näherte sich Arigund dem Turm, in dem sich das Verlies befand. Die beiden Wachknechte hockten neben dem Eingang und waren in ein Würfelspiel vertieft. Ein Humpen Bier stand neben ihnen, sie würdigten das Fräulein keines Blickes. Arigund gelangte über die Holzleiter ins Gebäude. Dort roch es muffig, nach feuchten Wänden und Schimmelpilz, und die Luft war um einiges kühler. Arigund zog ihr Tuch enger um sich. Der runde Raum
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