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Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karolina Halbach
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der Junge und zog seine Begleiterin sanft aus der Tür hinaus, »und es lag mir fern, den Eindruck zu erwecken, ich würde meiner Mutter nicht den Platz in meinem Herzen einräumen, der ihr gebührt. Jedoch ist mir in deiner Gesellschaft stets so, als trügen mich die Engel auf ihren Flügeln. Arigund, ich habe noch nie für einen Menschen so empfunden wie für dich. Du hast mich den Klauen des Todes entrissen. Dein Liebreiz hat die Dämonen vertrieben.«
    Arigund hob beschwichtigend die Hände. Es war ihr unangenehm, so in den Himmel gehoben zu werden. Sie war weiß Gott kein Engel. »Ach, mein Anteil war gering. Das meiste haben die Kräuter und Tees getan, die die alte Resl für dich hat bringen lassen.«
    »Doch erst dein Zauber hat sie wirken lassen. Wie bescheiden du doch bist, Arigund!«
    Sie hatten den Garten erreicht. Außer ihnen befand sich niemand darin. Reimar zog das Mädchen auf die Bank unter dem Apfelbäumchen, wo sie schon vor seiner Krankheit manches Mal gesessen hatten. Der Junge griff hinter sich und holte die Laute hervor, die jemand dort für ihn bereitgelegt hatte. Seine langen, feingliedrigen Finger strichen über die Saiten und entlockten ihnen zarte Töne, doch seine Begleiterin war nicht empfänglich für die Schönheit der Musik. Schließlich legte Reimar das Instrument beiseite.
    »Was ist dir, Arigund?«, wollte er wissen. »Irgendetwas bedrückt dich. Sag es mir einfach, und ich werde versuchen, deine düsteren Gedanken zu verscheuchen.« Er machte eine Bewegung, als wollte er ein paar lästige Fliegen verjagen. Arigund musste schmunzeln. Reimars minnigliche Bemühungen wirkten noch recht ungeschickt, doch er trug sie in solcher Ernsthaftigkeit vor, dass kein Zweifel daran bestand, dass er sie ernst meinte. Zum ersten Mal begann die Kaufmannstochter den zukünftigen Ritter in ihm zu sehen, und tatsächlich war ihr, als wären seine Züge während der langen Krankheit erwachsener, ernster geworden. Er hatte sich verändert.
    »Ach, ich habe dieser Gerichtsverhandlung beigewohnt«, antwortete die Kaufmannstochter ausweichend.
    »Mutter hat mir erzählt, dass Vater heute den Stab über Matthias, den Pferdeknecht brechen würde. Hat er kein gerechtes Urteil verhängt?«
    »Was ist schon gerecht?«, seufzte das Mädchen und strich sich die Cotte zurecht. Aufkommender Wind zerrte an ihren braunen Locken. Auch Reimar begann zu frösteln. »Lass uns zurückgehen, Reimar«, schlug Arigund vor und wollte aufstehen. Der Junge aber hielt sie zurück. »Erst musst du mir dein Herzeleid beichten«, beharrte er. »Ich kann es nicht sehen, dass du betrübt bist.«
    »Ich weiß nicht, es wird dich langweilen.«
    »Ich gebe dir mein Wort, dass ich mich lieber langweile, als dass ich dich so niedergeschlagen sehe.«
    Erst zögerlich, doch dann immer schneller berichtete Arigund von den Ereignissen bei der Heuernte und der Tändelei zwischen ihrer Zofe und dem Knecht.
    »Jetzt kann er sie natürlich nicht mehr heiraten«, stellte Reimar nüchtern fest. »Er ist ja nur noch ein Hirte, sie deine Zofe. Ich verstehe, dass sie Kummer hat.«
    Eine Weile schwieg er nachdenklich, dann hellte sich seine Miene auf. »Soll ich meinen Vater bitten, einen netten Gatten für Annelies zu suchen? Der Sohn des Kochs vielleicht. Das wäre eine sehr gute Partie, denn er wird einmal das Amt seines Vaters übernehmen. Der Truchsess wird mir gewiss den Gefallen tun, wenn ich mich bei der Schwertleite ordentlich schlage. Dann könnte Annelies bei uns bleiben und du hättest sie stets an deiner Seite.«
    Das Kaufmannsmädchen musste lachen. »Ich bleibe doch nur diesen Sommer, Reimar. Danach werde ich mit Annelies nach Regensburg zurückkehren. Was mir weit mehr Kummer bereitet ist diese Bitternis, die ich bei Annelies bemerke.«
    »Das wird sich wieder legen. Glaub mir, der Sohn des Kochs ist wirklich ein sehr netter Junge. Er wird sie glücklich machen, und sie wird wieder strahlen.«
    Arigund winkte ab. Sie kannte Annelies. So einfach würde sich die Sache nicht beheben lassen, aber das würde Reimar nicht verstehen. Sie musste seinen Eifer anders bremsen. »Mein Vater wird vermutlich bereits nach Gatten für uns beide Ausschau halten, und wenn er es nicht tut, dann ganz bestimmt meine Stiefmutter. Ob es allerdings das sein wird, wonach wir uns sehnen, das steht auf einem ganz anderen Blatt.«
    Ein dunkler Schatten zog über Reimars eben noch fröhliches Antlitz.
    »Das geht nicht, auf keinen Fall!«, widersprach er. »Ich

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