Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)
passierte das dauernd. Was war nur mit ihr los?
»Ähm, das meinte ich nicht. Ich dachte eigentlich mehr an die Sache mit dem Ritterschlag und dem Turnier.«
»Nun, das wird sich kaum vermeiden lassen. Aber einen Vorteil hätte es: Ich könnte dann mit deinem Zeichen in den Kampf ziehen.«
Arigund lächelte überrascht. Dass Reimar, Sohn eines Truchsess, so weit für sie gehen würde, sich offiziell zu ihr zu bekennen, obwohl sie eine Bürgerliche war, ließ ihr Herz schneller schlagen. Lieber wäre es ihr allerdings gewesen, er würde eine Ballade für sie dichten, statt ständig ihr zu Ehren vom Pferd gestoßen zu werden.
»Ich weiß nicht, ob das so ein guter Gedanke ist, auch wenn es mich ehrt, dass du mich zu deiner Dame wählen würdest.«
Reimar nahm feierlich ihre Hand. »Wem sonst sollte ich den Platz in meinem Herzen einräumen, wenn nicht dir, meiner Rose – außer meine Mutter vielleicht.«
Er sah Arigunds besorgte Miene und setzte nach: »Mach dir keine Sorgen. Ich werde dein Zeichen selbstverständlich in Ehren halten. Von jetzt an werde ich Tag und Nacht üben, bis ich der beste Ritter der Burg bin. Wenn du willst, fange ich gleich damit an.«
Das Mädchen lächelte angesichts der Ernsthaftigkeit, mit der der Knappe das Versprechen abgegeben hatte. »Weißt du, Reimar von Brennberg, um das Herz einer Dame zu erobern bedarf es keiner anderen Waffe als der Minne, und was das angeht, so gibt es bereits jetzt niemanden, der sich mit dir messen kann.«
Die Augen des Knappen weiteten sich. Begeistert griff er nach Arigunds Hand und sah sie fest an: »So wärst du einverstanden, meine Minnedame zu sein? Es wäre dir nicht …«, er zögerte kurz, »… unangenehm?«
»Ganz und gar nicht. Im Gegenteil, aber jetzt solltest du besser noch ein wenig ruhen.«
»Ruhen? Wie könnte ich das? Das Herz will mir vor Aufregung zerspringen.«
»Wie wäre es dann, wenn du über eine Strophe nachdenkst und sie mir später vorträgst?«
»Mit Freuden, Arigund von Regensburg, ich werde dich in meinen Liedern unsterblich machen. Ich werde …« Von einem Hustenanfall geschüttelt, sank der Junge zurück auf sein Kissen.
K APITEL 14
Der nächste Tag begann trübe. Obwohl die Luft noch immer aufgeheizt war, verhängten graue Wolken den Himmel. Trotzdem strömten Menschen aus dem ganzen Umland zur Gerichtslinde. Niemand wollte sich Matthias’ Verhandlung entgehen lassen. Arigund bemerkte viele grimmige Mienen, der Wind trug zornige Stimmen an ihr Ohr. Unter den Rossknechten hatte der Angeklagte ohnehin viele Freunde, und bei allen anderen war sein Ansehen durch sein todesmutiges Eingreifen bei der Heuernte stark gestiegen. Die Menschen standen in kleinen Gruppen beieinander, ein paar Mutige spuckten sogar verstohlen in Wirthos Richtung auf den Boden. Der versuchte, die einzelnen Übeltäter auszuspähen und ihnen drohende Blicke zuzuwerfen. Der Truchsess, der abgeschirmt von Rittern und Landsknechten unter der Gerichtslinde auf einem Schemel Platz genommen hatte, würde gut daran tun, ein weises Urteil zu sprechen, wollte er nicht den Zorn seiner Hörigen und freien Bauern heraufbeschwören. Niemand konnte wissen, wie sich dieser letztlich entladen würde.
Es gab viele aufmunternde Worte, als Matthias von vier Wachknechten herangeschleppt und vor dem Truchsess auf den Boden geworfen wurde. Man hatte sich nicht die Mühe gemacht, ihn zu binden. So erbärmlich, wie er aussah, wäre er ohnehin nicht weit gekommen. Sein Gesicht war noch immer blau-rot angeschwollen und entstellt. Er musste, um Luft holen zu können, durch den Mund atmen, wobei er seine abgebrochenen Zähne entblößte. Sein prächtiger roter Schopf hing in schmutzigen Strähnen von seinem Haupt herab. Jemand hatte dem Knecht einen frischen Kittel übergestreift, der ihm jedoch viel zu klein war und den unteren Teil seines Bauches freigab. Die Bundschuhe hatte man ihm abgenommen. Vermutlich hatte sie ein Wachknecht gestohlen und für wenig Geld verscherbelt. Nun versuchte der Rossknecht, sich barfuß und blinzelnd vor seinem Richter auf die Knie zu raffen, was ihm jedoch ohne Hilfe nicht gelang. Endlich zerrten ihn die Wachknechte in eine angemessene Position. Der Truchsess drapierte die Falten seines prächtigen Mantels mit den silbernen Stickereien auf dunkelblauem Grund so, dass sein darunter getragenes Schwert gut zur Geltung kam. Dann griff er nach einem Buch, das einer der Ritter für ihn bereithielt, erhob sich und begann sich in den
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