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Die Wanifen

Die Wanifen

Titel: Die Wanifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Anour
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bis ich meine Fassung wiedererlangt hatte.
    Ich bückte mich und strich ungläubig über die schneeweißen Blüten. Ein beunruhigender Gedanke bahnte sich seinen Weg in mein Bewusstsein. Hatte ich diese Orchideen zum Blühen gebracht?
    »Wachse Pilz, Gewächs der Nacht.«
    Ich sah mich um, beinahe in der Erwartung, überall leuchtende Pilzhüte aus der Erde schießen zu sehen, aber nichts dergleichen geschah.
    »Wachse Pilz, Gewächs der Nacht«, wiederholte ich.
    Wieder nichts. Wenn wirklich ich es gewesen war, die die Orchideen zum Blühen gebracht hatte, warum funktionierte es nicht mit den Pilzen?
    Ich ließ mich wieder auf dem Baumstamm nieder, um alles genauso zu machen wie zuvor.
    »Wachse Pilz, Gewächs der Nacht«, rief ich, aber nicht eine Pilzspore ließ sich blicken.
    Der Stab, ich hatte meinen Stab festgehalten und ihn in die Erde gebohrt …
    Ich hob den Stab auf, den ich vor Schreck achtlos fallen gelassen hatte, und umfasste ihn mit beiden Händen. »Wachse Pilz, Gewächs der Nacht.« Ich vernahm ein kaum hörbares Knarzen und wandte mich um. Hinter mir, aus einem dicken Baumstrunk, waren drei riesige, weiße Baumschwämme gewachsen. »Unglaublich«, flüsterte ich. Als ich meine Überraschung überwunden hatte, brach ich die drei Baumschwämme von dem morschen Holz herunter, pflückte ein paar weiße Knabenkräuter, und kehrte zu meinem Erlenholzfeuer zurück.
    Zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte ich ein bisschen Stolz. Ich wünschte, Alfanger hätte das gerade sehen können, es hätte ihm sicherlich gefallen.
    Ich legte meine Beute neben das Feuer und wandte mich dem Wasserfall zu.
    In meinen Gedanken malte ich mir aus, wie sich der Wasserfall teilen würde, sobald ich es ihm befahl, und die geheimnisvollen Gestalten der Urukus dahinter hervortreten würden.
    Doch ganz gleich, wie oft ich auch »Teile, teile Wasserfall« rief, wie eindrucksvoll ich meinen Stab dabei in die Höhe hob, der Weytafall ließ sich davon nicht im Mindesten beeindrucken.
    Stundenlang versuchte ich es. Von verschiedenen Positionen aus, mal stehend, mal sitzend, mal im eiskalten Wasser, mal auf einem der glitschigen Felsen, in verschiedenen Stimmlagen, mal flehend, mal befehlend – doch immer vergeblich.
    Ich kletterte sogar ein Stück die Felswand hinauf, um nachzusehen, ob sich hinter dem Sturz eine versteckte Höhle befand, ertastete hinter dem tosenden Wasser aber nur soliden Fels.
    Als die letzten Sonnenstrahlen über den Rand des Talkessels fielen, war ich bereits so frustriert, dass ich begann, Steine in den Wasserfall zu werfen. Nach jedem Wurf schrie ich meine Frustration hinaus.
    Mein Zorn verrauchte so schnell, wie er gekommen war, und wich Resignation. Ich kehrte zu meinem Lagerfeuer zurück und warf die mittlerweile halb verwelkten Orchideen ins Feuer, da ich nicht wusste, wozu ich sie sonst noch brauchen sollte. Das Gleiche tat ich mit den Baumschwämmen. Sofort erkannte ich meinen Fehler und sprang erschrocken zurück. Das Feuer loderte so stark auf, es hätte mir Hände und Gesicht versengt, wäre ich stehen geblieben. Selbst in einigen Schritten Entfernung spürte ich die glühende Hitze, die die Flammen plötzlich ausstrahlten. Schwarze Rauchwolken stiegen in den Himmel.
    Ainwa, du Närrin! Ich hatte keine gewöhnlichen Baumschwämme ins Feuer geworfen, sondern Zunderschwämme. Die Ata Frauen sammelten sie in den Wäldern und gewannen aus ihnen eine faserige Substanz, dieselbe, die ich in meinem Zunderbeutel mit mir trug, dieselbe, mit der ich dieses Feuer erst entfacht hatte. In meinem Eifer hatte ich nicht bemerkt, was ich da gesammelt hatte. Ich beschloss, die Nacht hierzubleiben. Dieser Ort war weit genug entfernt von Ataheim und schien mir verhältnismäßig sicher, da man ihn nur durch die Klamm erreichen konnte, die für Wölfe und Bären ein unüberwindliches Hindernis darstellte.
    Ich löschte das Lagerfeuer, weil ich fürchtete, es könnte Gorman auf mich aufmerksam machen, wenn er den Rauch auf seinen nächtlichen Streifzügen erblickte oder roch.
    Der Hunger nagte an mir, als ich versuchte, es mir neben den kläglichen Glutresten bequem zu machen. Ohne Netz und ohne Speer blieben die kapitalen Forellen in dem Becken außer Reichweite und das einzig Essbare, das ich sonst noch gefunden hatte, war eine Handvoll Heidelbeeren.
    Langsam wurde es kalt und die Feuchtigkeit meiner Lederkleidung, die tagsüber nicht richtig getrocknet war, ließ mich frösteln.
    Irgendwann setzte ich mich auf und

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