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Die Wanifen

Die Wanifen

Titel: Die Wanifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Anour
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Sphincos geschmeidig auf das Zwiefeld und entfaltete ihre riesigen Schwingen. Ihr regloses Gesicht musterte mich abschätzend, dann riss sie ihr Maul zu überraschender Größe auf und entblößte zwei Reihen spitzer Fangzähne. Sie stieß dabei dasselbe schrille Brüllen aus, das gestern die Quellwichte verscheucht hatte.
    Erschrocken taumelte ich zurück, bis ich gegen die unsichtbare Barriere stieß.
    »Du fürchtest dich jetzt schon?«, fragte Kauket mit hochgezogenen Augenbrauen.
    Ich umfasste meinen Stab mit beiden Händen und ging wieder zu meiner ursprünglichen Position.
    »Du musst dich frei bewegen können, Ainwa. Leg deinen Eibenbogen ab.«
    Ich blickte Kauket an und schlüpfte schließlich aus den beiden Ledergurten, an denen der Bogen und mein Pfeilköcher baumelten. Vorsichtig legte ich beides in einigen Schritten Entfernung ins Moos.
    »Also, Ainwa«, meinte er auffordernd. »Der Percht wartet auf deine Anweisungen. Wenn du ihm befiehlst, anzugreifen, wird er angreifen. Worauf wartest du?«
    »Ich möchte dich nicht angreifen«, murmelte ich heiser.
    »Du wirst mich nicht verletzen.«
    Mein Blick glitt über den kauernden Percht hinüber zur Ehrfurcht gebietenden Gestalt von Sphincos. Sie schüttelte ihre helle Mähne und musterte mich mit herablassendem Gesichtsausdruck.
    »Percht! Greif Sphincos an!« Der Percht brüllte auf und katapultierte sich so schnell in die Luft, dass ich es überhaupt nicht fassen konnte.
    Sphincos machte keine Anstalten auszuweichen, sondern starrte dem Percht gelassen entgegen.
    Plötzlich bewegte Kauket seine Arme in einer wellenförmigen Bewegung zur Seite und streckte seine gebeugten Knie durch, als wollte er springen.
    Sphincos sprang elegant beiseite. Der Angriff des Perchts ging ins Leere. Kauket breitete die Arme aus, Sphincos breitete ihre Schwingen aus und stieß sich in die Luft ab.
    »Percht, pass auf«, rief ich – aber es war zu spät.
    Sphincos stieß auf den Percht herab und rammte ihn in die Seite. Als der Percht von Spincos’ schierer Wucht getroffen wurde, verspürte ich einen kräftigen Schlag in die Seite und wurde zu Boden geschleudert.
    Ich rappelte mich auf, während ich die Hand auf meine schmerzenden Rippen presste. Verflucht!
    Sphincos thronte über dem Percht und drückte ihn mit einer Pranke zu Boden, während er sie in seiner Brüllsprache beschimpfte, als gäbe es kein Morgen.
    »Du bist tot, Ainwa«, sagte Kauket nüchtern.
    »Irgendwas hat mich gerade geschlagen«, knurrte ich mit schmerzverzerrter Miene.
    »Du hast mich gefragt, wie das Geisterringen ein Duell auf Leben und Tod sein kann«, meinte Kauket. »Hier hast du deine Antwort: Die Geister mögen für uns kämpfen, aber wir teilen ihren Schmerz. Wenn dein Seelengeist im Kampf besiegt wird … stirbst du.«
    Ich warf Kauket einen erschrockenen Blick zu. »Heißt das, auch die Geister kämpfen um ihr Leben?«
    »Ein Geist stirbt nicht so einfach. Er kann furchtbaren Schmerz empfinden und wird er besiegt, muss er sich für einige Tage in der Geisterwelt erholen, ehe er wieder Gestalt annehmen kann. Den Preis für unsere Kampflust zahlen wir selbst. Es geht um unser Leben.«
    Ich dachte über Kaukets Worte nach, dann grinste ich.
    »Wenn es stimmt, was du sagst, dann bin ich noch nicht tot. Der Percht ist nicht mein Seelengeist, also sterbe ich auch nicht, wenn du ihn besiegst. Und da ich meinen Seelengeist nicht rufen kann, bin ich praktisch unbesiegbar.«
    Kauket seufzte und rieb sich die Stirn.
    »Gut, du Schlaukopf. Nehmen wir an, der Percht wurde besiegt. Ata kannst du nicht rufen. Wirfst du dann mit Steinen nach Sphincos, wenn ich sie dir auf den Hals hetze, oder schießt du einen Pfeil auf sie ab?«
    »Oh«, murmelte ich.
    »Ganz genau«, erwiderte Kauket und rollte mit den Augen.
    Ich deutete auf den zeternden Percht am Boden.
    »Ich glaube nicht, dass er das mag.«
    Kauket hob seine rechte Hand und Sphincos ließ den Percht aufstehen, ohne dabei auch nur die kleinste Miene zu verziehen. Sie schritt mit erhobenem Haupt zu Kauket zurück und legte sich neben ihm auf den Waldboden. Der Percht schimpfte ihr wüst hinterher, dann lief er zu mir zurück und begann, mich mit Tannenzapfen zu bewerfen.
    »Au! Bist du wahnsinnig?«
    »Er denkt wohl, du hättest deine Sache nicht gut gemacht«, meinte Kauket amüsiert.
    »Hör auf damit, sofort«, schrie ich ihn an.
    »Korrwazzl«, knurrte der Percht grantig und streckte mir die Zunge heraus.
    Ich ignorierte ihn und wandte mich wieder

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