Die Washington-Akte
hörte, dürfte er innerhalb der nächsten zwei Stunden aufbrechen. Vermutlich ist Ihr Mann schon unterwegs?«
»Er ist abgeflogen.«
»Er sollte als Erster ankommen, obgleich er die längere Flugstrecke hat. Dann kann er Wyatt im Fort erwarten. Sehen Sie, Quentin, ich versuche, kooperativ zu sein.«
»Ist das etwas Neues für Sie?«
Carbonell lachte.
»Knox wird sich um die Sache kümmern«, sagte Hale. »Er ist gut. Aber ich muss etwas wissen. Haben Sie sich im Commonwealth noch einen zweiten Spion herangezogen?«
»Wie wäre es, wenn ich Ihnen diese Frage beantworte, sobald wir wissen, wie viel Erfolg Ihr Quartermeister hat?«
»In Ordnung. Warten wir ab. Es sollte sich ja nur noch um ein paar Stunden handeln. Dann erwarte ich eine Antwort auf meine Frage.«
»Ich nehme an, Quentin, sobald Sie die beiden fehlenden Seiten haben und Ihr Kaperbrief bestätigt ist, werden Sie diese andere Angelegenheit angehen, über die wir gesprochen haben.«
Der Mord an Stephanie Nelle.
»Sie können sie nicht freilassen«, sagte Carbonell.
Nein, das konnte er nicht. Aber das Spiel, das Carbonell spielte, beherrschte er auch.
»Wie wäre es, wenn ich Ihnen diese Frage beantworte, nachdem Sie meine beantwortet haben?«
Wyatt wurde zunehmend ungeduldig. Ein heftiger Regen peitschte auf den Flughafen von Boston nieder. Das Bodenpersonal hatte alle informiert, dass das Unwetter innerhalb der nächsten Stunde weiterziehen sollte und der Flugbetrieb kurz darauf wieder aufgenommen werden würde. Was bedeutete, dass er die Insel erst kurz vor Einbruch der Nacht erreichen würde.
Egal. Was immer dort ruhte, hatte hundertfünfundsiebzig Jahre gewartet. Da sollten ein paar weitere Stunden auch kein Problem darstellen.
Sein Handy vibrierte in der Tasche. Er hatte das Gerät wieder eingeschaltet, sobald er im Flughafengebäude war. Es war ein Wegwerfhandy mit Prepaid-Karte, das er gestern in New York gekauft hatte. Nur eine einzige Person besaß die Nummer.
»Wie ich höre, ist das Wetter furchtbar«, sagte Carbonell.
»Ziemlich schlimm.«
»Ich komme gerade aus dem Weißen Haus. Der Präsident weiß alles über Sie.«
Das war keine Überraschung, da Malone Wyatt ja gesehen hatte.
»Zum Glück fliege ich unter fremdem Namen«, sagte er leise. Er hatte sich abseits des Menschengewühls zu einem leeren Gate zurückgezogen.
»Die CIA , die NSA – keine von diesen Agencys weiß etwas«, sagte Carbonell. »Malone hat seine Kopie des Codeschlüssels aus seinem E-Mail-Postfach gelöscht, und sein dänischer Server hält keine Sicherheitskopien vorrätig. Aber Malone verfügt nicht über die Entschlüsselungswalze.«
»Kleben Sie sie gerade wieder zusammen?«
»Warum sollte ich das tun? Ich habe doch Sie.«
»Wieso haben Sie mich eigentlich angerufen?«
»Ich dachte, angesichts des wetterbedingten Aufenthalts wüssten Sie gerne, wo Sie jetzt stehen. Auch wenn das Weiße Haus die Sache untersucht, haben Sie immer noch freie Bahn zum Ziel.«
Als ob er ihr das glauben würde. Nichts war jemals so einfach.
»Gibt es sonst noch etwas?«, fragte er.
»Viel Erfolg.«
Er legte auf.
58
Halifax, Nova Scotia
16.10 Uhr
Malone fuhr in das Städtchen Mahone Bay hinein, das, wie das Willkommensschild verkündete, 1754 gegründet worden war. Es drängte sich mit seinen gewundenen Sträßchen und seinen Häusern aus dem viktorianischen Zeitalter dicht an die Bucht desselben Namens. Drei hoch aufragende Kirchtürme hielten Wache. Im Hafen lagen Jachten und Segelboote im Wasser. Eine späte Nachmittagssonne warf schwache Strahlen dunstigen Lichts durch die erfrischend kühle Luft.
Bevor sie ein paar Meilen südlich der Stadt gelandet waren, waren sie über die von Inseln übersäte Bucht hinweggeflogen, und Malone hatte alles genau betrachtet. Sie hatten Paw Island gesehen und es von der Luft aus erkundet, ein Gelände aus dunklen Felsen, zerzaustem Gras, Eichen und Fichten. Auf der Seite, wo die Ruine des Forts lag, fielen Kalksteinklippen senkrecht ins Meer. Er entdeckte mehrere Stellen auf der Südseite, an denen man mit einem Boot landen konnte, und bemerkte auch die Vögel. Tausende von ihnen hockten auf den baufälligen Mauern, den Klippen und den Bäumen. Tölpel, Möwen, Seeschwalben und Trottellummen in so dichten Scharen, dass man an manchen Stellen den Boden nicht mehr sehen konnte.
Er parkte bei einer Ansammlung von Läden. Kunstgalerien und Cafés. Es war zwar spät am Sonntagnachmittag, aber zu seiner Freude waren die
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