Die Washington-Akte
einen Blick zu. »Es tut mir schrecklich leid. Ich hatte keine Ahnung, dass all dies geschehen würde.«
»Es ist nicht Ihre Schuld.«
»Danny glaubt, dass ich ihn verraten habe.«
»Hat er das gesagt?«, fragte Davis sie.
»Nein. Tatsächlich hat er gar nichts gesagt. Und genau damit hat er alles gesagt.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich hätte ihn beinahe umgebracht.«
»Für so etwas haben wir keine Zeit«, erklärte Cassiopeia knapp.
»Sie haben keinerlei Mitgefühl mit uns, oder?«
»Das Leben einer Frau steht auf dem Spiel.«
Die First Lady nickte. »Das habe ich gehört. Stephanie Nelle. Kennen Sie sie?«
»Sie ist meine Freundin.«
»Ich kann nicht glauben, dass das hier wirklich geschieht. Shirley und ich haben über vieles gesprochen. Aber in einen großen Teil dessen, was hier vor sich geht, bin ich nicht eingeweiht. Wie Sie sich vielleicht schon denken, leben der Präsident und ich in zwei verschiedenen Welten. Von dem Ausflug nach New York habe ich nur beiläufig erfahren. Ich habe mir ehrlich nichts dabei gedacht. Einfach nur eine rasche Hin- und Rückreise, über die man bis zum Tag selbst Stillschweigen bewahren würde.«
Cassiopeia hörte das Flehen in Paulines Stimme.
»Ich war ein Dummkopf«, sagte die ältere Frau.
Cassiopeia war derselben Meinung, hielt aber den Mund, genau wie Davis.
»Edwin wird Ihnen gewiss gesagt haben, dass zwischen uns nichts Unziemliches vorgefallen ist.«
»Mehr als einmal.«
Pauline lächelte matt. »Ich weiß nicht, wie es mit Ihnen steht, Miss Vitt, aber das hier ist eine neue Erfahrung für mich. Ich bin mir nicht sicher, was ich tun soll.«
»Sagen Sie die Wahrheit. Über alles.«
Cassiopeia wartete ab, ob die beiden ihre Botschaft begriffen.
»Wahrscheinlich wird es Zeit, dass Danny und ich über Mary reden. Das haben wir lange Zeit nicht getan.«
»Da stimme ich Ihnen zu. Aber im Moment befinden sich zwei Menschen, an denen mir sehr viel liegt, in Gefahr, und wir brauchen Ihre Hilfe.« Sie stand auf. »Ich fahre nach Fredericksburg zurück. Um neunzehn Uhr rufe ich Edwin an und übermittle ihm das Drehbuch.«
Sie ging zur Tür, blieb aber noch einmal stehen und drehte sich um. Es gab noch etwas, was die First Lady und Davis außer Acht gelassen hatten.
»Ihr Mann hat mir einmal etwas gesagt: ›Schneiden Sie dem Hund den Schwanz nicht scheibchenweise ab. Wenn er schon heulen muss, dann bringen Sie es mit einem einzigen Schnitt hinter sich.‹ Ich würde Ihnen beiden empfehlen, diesen Rat zu beherzigen.«
57
Bath, North Carolina
Hale lauschte den Worten seines Vaters, der auch jetzt wieder von Dingen sprach, die er zum ersten Mal hörte.
»James Garfield war das einzige Mitglied des amerikanischen Repräsentantenhauses, das je zum Präsidenten gewählt wurde. Er hat achtzehn Jahre im Kongress gesessen, bevor er ins Weiße Haus eingezogen ist.«
Hales Vater hatte ihm von Lincolns und McKinleys Ermordung berichtet, aber nie das Attentat erwähnt, das zwischen diesen beiden Anschlägen stattgefunden hatte.
»Garfield war ein bedeutender General, der nach seiner Wahl in den Kongress 1863 mitten im Bürgerkrieg aus dem Militärdienst ausschied. Er hat Lincoln gedrängt, uns zu verfolgen. Er hat das Commonwealth und alles, was wir taten, gehasst. Was eigenartig ist, wenn man bedenkt, wie kriegerisch er war.«
»Aber wir haben auch den Südstaaten geholfen, oder?«
Hales Vater nickte. »Das stimmt. Doch wie hätten wir sie im Stich lassen können?«
Sein Vater hustete. Das geschah in letzter Zeit immer häufiger. Er näherte sich den achtzig, und sechzig Jahre reichlichen Tabak- und Alkoholgenusses hatten ihre Spuren hinterlassen. Er verfiel zusehends. Sein Testament war erstellt, all seine Bestimmungen waren von den Anwälten überprüft worden, und die Kinder wussten Bescheid, was von ihnen erwartet wurde, wenn er einmal nicht mehr da war. Er hatte jedes großzügig bedacht, wie es von einem Patriarchen der Hales erwartet wurde. Quentin war jedoch der Empfänger eines zusätzlichen geheimen Vermächtnisses, das nur ein einziger Hale erhalten konnte.
Die Mitgliedschaft im Commonwealth.
Die war an das Haus und das Grundstück in Bath geknüpft.
»Nach Lincolns Tod versank das Land im Chaos«, erklärte Hales Vater. »Die politischen Gruppierungen bekämpften sich gegenseitig und waren zu Kompromissen außerstande. Andrew Johnson, der auf Lincoln folgte, geriet in diese Auseinandersetzungen hinein und musste ein Amtsenthebungsverfahren
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