Die Washington-Akte
Decken waren zwar wie die meisten Mauern zerfallen, aber es blieben dennoch viele Verstecke. Er hatte Wyatt beim Eindringen in das Fort beobachtet und hoffte, dass der Mann ihm vielleicht den Weg zu den verschwundenen Seiten weisen würde, bevor er ihn tötete. Er hatte Jacksons komplette Botschaft dabei, einschließlich der fünf merkwürdigen Symbole. Statt die ganze Nacht mit der Suche zu verbringen, konnte er sich von Wyatt direkt dorthin führen lassen.
Aber sein Gegner streifte umher, als wüsste er nicht, wohin er sich wenden sollte.
Offensichtlich hatte er keine Ahnung, wo das zu finden war, was Andrew Jackson versteckt hatte.
Also würde er ihn töten und fertig.
Wyatt hatte vor langer Zeit gelernt, dass man seinen Gegner, wenn er mit etwas Erwartbarem rechnete, am besten nicht enttäuschte. Daher hatte er das Garver Institute kühn durch die Vordertür betreten.
Am Fuß der mit matschigen Exkrementen bedeckten Treppe, wo weitere Fußspuren nach oben führten, zeigte ein leeres Fenster in der Außenmauer aufs Meer hinaus. Er schlich hin, streckte vorsichtig den Kopf hinaus und blickte nach oben.
Zur Brustwehr hinauf war es eine Kletterpartie von drei Metern, und in dem verwitterten Stein war überall Halt für Hände und Füße zu finden.
Er blickte den dreißig Meter tiefen Abgrund hinunter, wo unten das Meer gegen die Uferfelsen anbrandete. Vögel schwangen sich von den klippenähnlichen Mauern und schwebten im Wind. Die halb erstickten Schreie der Möwen begleiteten ihren Tanz. Er zog sich nach drinnen zurück und fand einen Stein in der Größe eines Softballs. Die Brustwehr oben war sicherlich ebenfalls von Vögeln bevölkert. Vorsichtig schlich er sich einen Treppenabsatz hinauf und spähte in den immer dunkler werdenden Himmel.
Er warf den Stein durch die Öffnung, wartete aber nicht darauf, bis er landete.
Stattdessen zog er sich zum Fenster zurück.
Knox hielt sich Wyatt gegenüber auf der Nordmauer des Forts versteckt. Einer seiner Männer erwartete Wyatt auf dem südlichen Wehrgang, der andere Mann befand sich auf der Westmauer. Das drückende Schweigen wurde nur von der Brandung und einem steten Wind durchbrochen, der alle Geräusche übertönte.
Die Vögel flogen plötzlich in einem dichten Schwarm von der Südmauer auf, so gedrängt, dass ihre Flügel in der Luft zusammenstießen.
Was hatte sie in Panik versetzt?
Knox’ Blick heftete sich auf den Wehrgang.
Wyatt klammerte sich an den grauen Kalkstein und nutzte Spalten und Risse als Halt. Der Stein, den er nach oben geworfen hatte, hatte die Vögel aufgescheucht und für genug Aufruhr gesorgt, um von ihm abzulenken. Er hing in der Luft, und in seinem Rücken war nur das Meer. Die Nacht senkte sich rasch hernieder. Seine Schuhe fanden festen Stand in einem tiefen Riss in der Wand. Mit einer Hand umklammerte er die Oberkante der Mauer. Er streckte auch die andere Hand nach oben, zog sich hoch und spähte hinüber.
Drei Meter entfernt stand ein Mann mit dem Rücken zu ihm in der Nähe der Treppe, die Wyatt gemieden hatte.
In der einen Hand hielt er eine Pistole.
Genau wie Wyatt es sich gedacht hatte.
Er wurde erwartet.
Cassiopeia und ihre neue Partnerin Jessica näherten sich Shirley Kaisers Haus. Sie waren in einem Wagen des Secret Service hergefahren, hatten ein Stück entfernt an der Straße geparkt und waren zu dem schmiedeeisernen Zaun geeilt, der das Grundstück umfasste und der sich leicht überspringen ließ.
Sie schlichen sich zur Garage.
»Haben Sie so etwas schon einmal gemacht?«, flüsterte Cassiopeia.
»Nur in der Ausbildung.«
»Bleiben Sie ruhig. Denken Sie nach. Und tun Sie nichts Dummes.«
»Jawohl, Ma’am. Noch irgendwelche anderen Worte der Weisheit?«
»Lassen Sie sich nicht erschießen.«
Diesmal blieb eine schlagfertige Antwort aus.
Jessica zögerte und lauschte auf etwas, das aus ihrem Ohrhörer drang. Sie standen in Funkkontakt mit dem Agenten im Comfort Hotel.
»Die Männer sind immer noch da.«
Weil die beiden davon ausgingen, dass sie nicht gestört werden würden, überlegte Cassiopeia. Hale wusste offensichtlich, dass Kaiser ausgegangen war. Aber warum hatte er eigentlich beschlossen, die Abhörvorrichtung zu entfernen? War ihm vielleicht klar, dass sie Bescheid wussten? Doch in diesem Fall hätte er sich nicht mehr in die Nähe von Kaisers Haus gewagt. Es wies ja nichts darauf hin, dass die Geräte von ihm stammten. Nein, er verwischte seine Spuren. Vielleicht machte er sich für etwas
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