Die Washington-Akte
sich diese bereits unter den wachsamen Augen zweier bewaffneter Wächter näher an.
»Das hier ist ein Galgenkäfig«, erklärte er ihnen. »Er ist aus Eisen gefertigt und dem menschlichen Körper nachgeformt.«
Er spürte, wie schnell die Motoren liefen. Die Adventure schaffte zwanzig Knoten, und er hatte Höchstgeschwindigkeit befohlen. Mit beinahe fünfundzwanzig Meilen pro Stunde würden sie die Küste bald hinter sich gelassen haben.
»Gute Männer wurden einmal darin eingesperrt«, erzählte er. »Dann wurden sie an einen Pfahl gehängt und dem Tod überlassen. Eine schreckliche Bestrafung.«
»So ähnlich, wie wenn man jemanden zwingt, sein eigenes Ohr zu essen?«, fragte ihn Vitt.
Er lächelte. »Es geht in dieselbe Richtung, nur dass diese Käfige hier von unseren Verfolgern gegen uns eingesetzt wurden.«
Er winkte, und zwei Mitglieder seiner Crew packten Vitt bei den Armen. Sie wollte Widerstand leisten, doch er hob warnend den Finger und sagte: »Seien Sie artig.«
Vor seinem Erscheinen auf dem Achterdeck hatte er seine Leute angewiesen, Vitt die Hände auf dem Rücken zu fesseln. Die beiden anderen Frauen hatte er in Ruhe gelassen. Ein Mitglied der Crew trat Vitt die Beine weg, und sie fiel krachend aufs Deck. Dann packten sie sie bei Kopf und Füßen und warfen sie in den Galgenkäfig, der wie ein geöffneter Kokon dalag. Sein Deckel wurde zugeklappt und mit einer Klammer und einem Stift gesichert. Nun blieb Vitt kaum noch Raum, um sich zu wehren.
Hale beugte sich zu ihr hinunter.
»Sie haben zwei Mitglieder meiner Crew getötet. Jetzt werden Sie erfahren, wie es für meine Vorfahren war, in Käfigen wie diesem zu sterben.«
Der Wind strich über das Deck des schnittigen Schiffs und umströmte Hale mit kühler, feuchter Luft. Er erschnupperte den scharfen Geruch des Ozeans und wusste, dass das offene Meer nicht mehr weit war. Auch der Nebel schien sich zu lichten.
Ausgezeichnet.
Er hatte schon befürchtet, es würde ihm nicht möglich sein, diese Frau sterben zu sehen.
Knox sah ein Licht, das in der Dunkelheit aufleuchtete und dann im Bogen drei Meter nach rechts flog. Er wusste nicht, wer das war, aber es spielte keine Rolle.
Er schoss direkt darauf.
Nichts geschah.
Das Licht setzte seinen Weg fort, fiel platschend ins Wasser, und die Lampe war jetzt untergetaucht. Knox’ Kugel traf kein Ziel, sondern prallte von den Wänden ab. Jeder Aufschlag war unheilverkündend. Rechts von der Stelle, wo das Licht ins Wasser gefallen war, hatte er ganz kurz einen Schatten erkannt. Gleich darauf verriet jemand seinen Standort, indem er das Licht aus dem Wasser hob und ausschaltete.
Das war ein Zielobjekt.
Knox schoss erneut.
Wyatt ließ sich langsam und lautlos ins Wasser zurückgleiten. Im selben Moment, in dem er Carbonell das Licht zugeworfen hatte, hatte er die Finger in den Rand eines Stollens gekrallt und sich hochgezogen. Der letzte Ort, an dem er sein wollte, wenn in dem Gang Kugeln von den Wänden prallten, war in der Nähe des Bodens.
Die Schwerkraft zog die Geschosse nach unten.
Durch sein Nachtsichtgerät beobachtete er Knox und Carbonell. Jeder der beiden hatte eine Pistole und eine Taschenlampe.
Die Chancen waren ausgeglichen.
Er nutzte die Strömung des steigenden Wassers aus, um sich in die Richtung zurückzuziehen, aus der sie gekommen waren. Ihm war klar, dass weder Carbonell noch Knox es riskieren würden, die Taschenlampe anzuknipsen oder etwas zu sagen. Und aufs Geratewohl in die Dunkelheit hineinzuschießen war riskant.
Er fragte sich, wie lange die beiden dort stehen würden.
Ob ihnen die Gefahr bewusst war?
Eine Flucht durch die Stollen, wie er und Malone sie bewerkstelligt hatten, war angesichts der fortgeschrittenen Flut schon nicht mehr möglich. Innerhalb der engen Röhre gegen die Strömung anzukämpfen wäre so, als versuchte man, einen schnell fließenden Fluss hinaufzuschwimmen. Es war unmöglich, den Atem lange genug anzuhalten, um es nach draußen zu schaffen.
Die beiden hatten sich in eine Situation manövriert, aus der es kein Entkommen gab.
Erst die Ebbe würde ihnen eine Ruhepause gewähren.
Aber bis dahin wären beide tot.
Malone schlich sich lautlos und vorsichtig das Mitteldeck entlang und benutzte offene Eingänge und dunkle Räume zur Deckung. Er kam an einem Theater, einem Speisesaal und luxuriös eingerichteten Kabinen vorbei. Zwar entdeckte er keine Kameras, doch jede Faser seines Körpers war angespannt, und er hatte den Finger
Weitere Kostenlose Bücher